Samstag, 25. September 2010

September - ein wichtiger Monat

Der Monat September hat in Nicaragua eine ganz besondere Bedeutung, denn am 15.09.1821 wurde Nicaragua unabhängig. Unabhängig von der damals herrschenden spanischen Kolonialmacht. Allerdings traten daraufhin innerhalb Nicaraguas einige politische Spannungen auf, hauptsächlich zwischen den liberalen und den konservativen Parteien. 1855 wurde der US-amerikanische Militärmann Wiliam Walker, von der liberalen Partei Nicaraguas zur Hilfe gerufen und intervenierte daraufhin mit Hilfe seiner 57 Söldner in diesem Konflikt. 1856 übernahm Walker dann die Macht, erklärte sich selbst zum Präsidenten Nicaraguas und wurde als neues Staatsoberhaupt auch von den USA anerkannt. Walker versuchte infolge dessen, genauso die anderen Mittelamerikanischenstaaten zu erobern und sie den USA einzuverleiben. Daraufhin schlossen sich schließlich, die bis dahin uneinigen Parteien Nicaraguas zusammen und bekämpften zusammen mit weiteren mittelamerikanischen Truppen, die amerikanischen Söldner. Am 14.09.1865 fand die Entscheidungsschlacht „La Batalla de San Jacinto“, nördlich von Managua statt. Nicaragua war den Gegnern deutlich unterlegen, da sie keine guten Waffen besaßen. Überraschenderweise gewannen sie die Schlacht aber doch und heute spricht man von zwei historischen Momenten. Als die Nicaraguaner in die Defensive gedrängt wurden, kamen ihre Pferde frei und errschreckten durch das laute Getrampel die Söldner, die eine feindlich Kavallerie erwarteten und sich deswegen zurück zogen. Noch berühmter ist das historische Ereignis des Andrés Castro. Seine Waffe ging im Kampf kaputt, aber durch seinen berühmten Steinwurf tötete er einige der Söldner. Es gibt heute sehr viele Statuen von ihm, hier in Nicaragua.

Seit Wochen wird nun in den Schulen Nicaraguas, auf diese besonderen Feiertage hingearbeitet. Jeden Morgen gibt es auch in meiner Schule eine besondere Versammlung. Alle Schüler müssen sich in geordneten Reihen auf dem kleinen Schulhof aufstellen und dann hält eine Lehrerin einen etwa dreißig minütigen Vortrag. Und zwar über Themen wie die Verfassung, die Revolution, die Nationalsymbole Nicaraguas und so weiter. So soll es zumindestens in der Theorie aussehen.

Wenn die Klingel aber morgens, wie immer manuell, um mehr oder weniger 7.30 geläutet wird, sind noch längst nicht alle Kinder da. Dafür kommen gerne einige Eltern, Großeltern oder kleine Geschwisterkinder mit. Es herrscht viel Trubel und dem Vortrag wird in der Regel nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Kinder werden immer wieder aufs Neue von den aufpassenden Lehrerinnen ermahnt. Sie werden aus der Reihe gezogen und ans andere Ende gestellt, während die Lehrerinnen selber miteinander tuscheln oder mal wieder irgendwo ein Handy hartnäckig vor sich hin klingelt. Manchmal verirrt sich ein abgemagerter Straßenhund auf das winzige Schulgelände, wild gestikulierend wird er durch das große Eisentor heraus gescheucht.

Ich kann es den kleinen Erstklässlern (und auch den anderen) nicht gerade übel nehmen, wenn sie sich unterhalten, anfangen herum zu springen oder sich lieber mit ihren mitgebrachten Spielzeugen beschäftigen. Ab und zu wirft die vortragende Lehrerin eine Frage in den Raum, worauf viele Kinder verschiedene Wörter, wie aus der Pistole geschossen, zurück brüllen. Allerdings werden dabei häufig Daniel Ortega (Nicaraguas Präsident), die Sadinisten oder die auch die ganze Regierung, mit Reuben Darío (dem berühmtesten Dichter Nicaraguas), oder gar dem eigenen Papa, bzw. Großvater verwechselt. Zum Schluss wird die Nationalhymne gesungen, „Salva ti Nicaragua!“. „Und es heißt nicht micolor, es heißt bicolor!“, prägt die Lehrerin den Kindern noch einmal ein, bevor sich alle zur Fahne drehen und mit dem Arm an der Brust die Nationalhymne singen. Sie singen laut, ein wenig schief, ich brauche ein bisschen um die richtige Melodie zu erkennen. Es ist herrlich zu sehen, wie sehr sie sich Mühe geben beim singen, und dann gibt es diese kleinen Augenblicke, in denen mich manche Kinder voller Stolz anlächeln und sich dann wieder ganz schnell zur Fahne drehen. Als letztes Lied ist immer das Alphabetisierungslied an der Reihe, welches vor allem durch Ortegas Kampagne heute an den Schulen Pflicht ist. Die Kinder reißen ihre kleinen Fäuste hoch und schreien laut “Faust hoch, Buch aufgeschlagen!”.

Auf Grund der Feiertage wurde in den letzten Wochen hart und ehrgeizig geübt, bei Hitze und bei Regen. Denn auf Grund des Unabhängigkeitstages finden hier in Nicaragua immer verschiedene Paraden statt. Die Schüler haben geübt zu maschieren, zu tanzen, mit Stöcken herumzuschwingen, zu trommeln und noch mehr zu trommeln. Sie spielen die Nationalhymne und dann Lieder wie “Waka Waka”. Im Unterricht versteht man zu diesen Zeiten sein eigenes Wort nicht mehr und eigentlich findet auch gar kein Unterricht statt, weil die Hälfte der Klasse vor sich hin maschiert und die anderen auf der Straße sitzen und zu gucken. Als dann auch noch die passenen Kostüme dazu kommen, sind alle begeistert und freuen sich sehr auf diesen Tag. Ich freue mich auch. Ich freue mich darauf mit ihnen gemeinsam durch die Straßen Matagalpas zu laufen, auch wenn ich von der lauten Marschmusik und den kleinen maschierenden Kindern (für richtiges Maschieren bekommt man hier sogar Noten) ein wenig genervt bin. Aber ich merke, wie viel es den Kindern, Lehrern, Eltern und eigentlich allen hier bedeuted und dadurch ein gewisses Gemeinschaftsgefühl und ja, auch so etwas wie National- und Schulstolz entsteht. Ich finde es gut, ihnen zu zeigen, dass ich mich dafür interessiere und mich der Schule zugehörig fühle.

Doch leider ist aus der ganzen Sache für mich nichts geworden. Denn kurz vorher wurde ich sehr krank und konnte mich vor hohem Fieber kaum noch bewegen. Ich habe an diesem Tag, am 14.09, noch sehr viel an meine Schule gedacht und war enttäuscht, dass ich nicht mit ihnen mitlaufen konnte. Am Abend rief mich Norma, die Direktorin der Schule an, um sich zu erkundigen wie es mir geht. Ich sagte, dass es mir besser gehe aber ich traurig sei, dass ich nicht mit laufen konnte. Da sagte sie, dass das wohl auch besser gewesen sei. Zuerst sind sie nämlich vor Hitze fast gestorben und dann im Regen fast ertrunken. Wie schade.

Am 15.09, am Unabhängigkeitstag hatte alles geschlossen, sogar die meisten Läden, obwohl sie auch sonntags immer auf haben. Und auch die ganze restliche Woche war frei, keine Schule.

Heute ist schon wieder keine Schule, denn heute wird die Patronin von Matagalpa gefeiert. Es wird auch für sie getrommelt, getanzt, gegessen, gelacht, Feuerwerke werden gezündet und irgendwie erinnert mich das alles ein wenig an Karneval, als ich und ein paar Freunde den Umzug durch die Straßen Matagalpas gebannt verfolgen.

Freitag, 24. September 2010

Lo siento!

Ihr Lieben,

es tut mir wirklich Leid, dass sich das Gesicht dieser Seite ständig wandelt und die ganze Sache ein wenig chaotisch wirkt. Ich arbeite dran! Versuche gerade ein angemessenes Layout zu finden, um auch mal Fotos einbauen zu können, aber irgendwie will der Computer nicht so wie ich.

Ich bleibe aber weiterhin hartnäckig und bald, ihr werdet sehen, wird diese Seite (hoffentlich) ein bisschen besser aus sehen. Bis dahin, entschuldigt bitte das Durcheinander!

Que Rico!

Ich wollte euch nur mal kurz wissen lassen, dass es mir hier nicht an frischem Joghurt fehlt!
Eine Bekannte aus der Sprachschule hat Freunde, die eine Finca besitzen und auch selber Joghurt herstellen. Einmal in der Woche kommen sie in die Stadt und ich bekomme zwei Liter frischen und suuuuuuper leckeren Joghurt, für nur 100 Cordobar. Das finde ich gut!

Dienstag, 21. September 2010

Bis ans Meer und zurück


Vor ein paar Wochen wurden ich und Janek vom Reisefieber gepackt, so dass wir spontan beschlossen nach León zu reisen und von da aus dann ans Meer, an den Pazifik.
Nach über zwei Stunden Busfahrt kamen wir dann in Las Penitas an, ein kleines Fischerdörfchen, recht nördlich in Nicaragua gelegen, welches auch sehr gerne von Touristen auf gesucht wird.
Es gibt schöne Strände, mit riesigen Wellen, die Luft ist erdrückend heiß, man sieht Leute surfen, Reggeaton musik dudelt aus den Hütten, Fischer begutachten ihren frischen Fang und irgendwie erinnert mich das Ganze ziemlich wenig an den lauten und chaotischen, alltäglichen Trubel in Matagalpa.
Vielmehr macht sich das Gefühl von Urlaub breit und auch das Hostel für welches wir uns schließlich entscheiden, begrüßt uns durch ein sehr gelassenes, warmes Ambiente.
Papageien und Palmen, bunte Wandgemälde und Hängematten und natürlich die gigantische Aussicht auf den Pazifik, kreieren ein Nahe zu perfektes Urlaubsfeeling.
Ich und Janek beziehen eines der Dormrooms, in dem sich schon eine Amerikanerin, ein Holländer und eine Französin nieder gelassen haben.
Nach einem sehr typischen und eher spätem Frühstück mit Gallo Pinto (Reis mit Bohnen), Käse, Ei, Tortilla und einem frischen Pitahayasaft, entschließen wir uns dazu, eine der angebotenen Touren zu machen. Für zehn Dollar, würde uns ein Guide durch das nahe gelegene Naturreservat führen, in dem es nicht nur viele Pflanzen, sondern auch wilde Tiere gibt, angeblich auch Krokodile.
Allerdings sagt der Guide uns, dass es ihm um diese Uhrzeit zu gefährlich wäre mit uns die Tour zu machen, außerdem bräuchten wir Gummistiefel und sowieso sei es gerade viel zu heiß dafür. Aber wenn wir Lust hätten, könnten wir (auch) alleine zu der kleinen Insel ca. 200m entfernt, gegenüber von unserer Strandseite gelegen, laufen. Dort sei es auch sehr schön und überhaupt nicht gefährlich, sagt er, solange wir am Wasser gehen und uns nicht ins Gebüsch wagen. Klar, warum nicht!
Das einzige Problemchen ist, dass zwischen der Insel und unserer Strandseite Wasser liegt, genauer gesagt gibt es da eine kleine Bucht, die weiter hinten ins Meer mündet.
Alles kein Problem, sagt der Guide, man könne bei Ebbe durch die Bucht laufen, es sei überhaupt nicht tief. Wir sollten aber noch ein bisschen warten, bis das Wasser ein wenig zurück geht.
Gut….., an manchen Stellen geht es einem wohl bis zur Hüfte, dass Wasser, fügt er nach einer kleinen Pause hinzu. Und ob wir die Kamera mitnehmen könnten, fragen wir.
Mmmhhh, das wird schwierig. An manchen Stellen kann es vielleicht auch sein, dass ihr ein kleines bisschen mehr nass werdet. Also, eigentlich müsst ihr auch schwimmen können, aber die kann man ja hoch halten, die Kamera.
Wir beschließen sie nicht mit zu nehmen und uns trotz der dürftigen Auskunft zu der Insel zu wagen.
Gegen Mittag laufen wir dann also los, in Kleidern. Das Wasser ist unglaublich warm und in der Bucht dümpeln Boote vor sich hin, Männer fischen, Kinder plantschen im Wasser, ein paar sehr Mutige versuchen in den riesigen Wellen weiter hinten im Meer zu surfen.
Das Wasser wird tiefer und schon sehr bald kann ich nicht mehr stehen! Wir schwimmen also zur Insel herüber und machen uns gegenseitig Angst, vor den Krokodilen und diesen furchtbar gefährlichen Tieren, die es hier angeblich gibt. Ganz nass kommen wir dann auf der Insel an, aber die Sonne ist heiß und trocknet uns schnell. Auf der Insel ist es leer, keine Menschen weit und breit, nur Echsen, Vögel, Mücken und Müll, der vom Meer angespült wurde und den schönen weißen Strand ein wenig traurig aussehen lässt. Wir laufen am Wasser entlang. Und nach einer halben Stunde etwa, treffen wir auf eine Hand voll, arbeitender Leute. Sie bauen eine Hütte aus Holz und getrocknet Bananenblättern. Wir werden herzlich begrüßt und der eine Mann beginnt uns einen kleinen Vortrag zu halten. Hier gibt es wilde Schildkröten, erzählt er. Sie kommen immer nachts heraus und vergraben ihre Eier im Sand. Aber es gibt viele böse Menschen, die auch schon die kleinen Schildkröten fangen und aus ihrem Panzer zum Beispiel Schmuck herstellen. Daher würden sie jetzt eine Unterstand für sie bauen.
Schließlich machen wir uns wieder auf den Rückweg und bewundern die Schönheit des wilden Meeres. Wir schwimmen die paar Hundertmeter wieder zurück, aber die Strömung scheint stärker geworden zu sein. Plötzlich kommen wir nicht mehr gegen sie an. Wir müssen uns zurücktreiben lassen und klammern uns schließlich bei der nächsten Möglichkeit am Ufer fest. Sehr nass, aber glücklich kehren wir zurück. Abends essen wir frischen Fisch unter Palmen und genießen den Sonnenuntergang von unseren Hängematten aus.
Am nächsten Morgen machen wir uns dann auf nach León, die Studentenstadt Nicaraguas.
Dort schlendern wir ein wenig durch die Stadt, über einen sehr touristischen, aber schönen Markt, hören einem Gottesdienst in der alten Kathedrale zu und retten uns schließlich vor der Hitze in ein Insektenmuseum. Dass heißt, ein älterer Mann führt uns durch sein Haus und zeigt uns stolz seine gesammelten Käfer, Spinnen, Mücken, Schmetterlinge und alles was sonst noch so kriecht und fliegt. Sehr beeindruckend, finden wir. Doch als er uns erzählt, dass die giftigste von allen Spinnen vor ca. 3 Jahren abgehauen ist, sie wohl hier noch irgendwo herumlaufen würde, aber der Mann sie einfach nicht finden kann, bekommen wir ein wenig Angst und beschließen die Rückreise anzutreten.
Der Busbahnhof in León ist chaotisch. Busse, Taxis, Verkäufer, Reisende, Kinder, Hunde, Pferde, Müll, Lärm und Dreck- alles tummelt sich irgendiwe wild durcheinander.
Aber unseren Bus finden wir schnell, denn die Auskünfte der Busfahrer sind nicht zu überhören „Matagalpa, Matagalpa, Matagalpa, Matagalpa, Matagalpa….!!!“, schreit ein Mann uns in einem Affentempo an (gar nicht so leicht, probiert das mal aus). Natürlich werden wir auch von den anderen Busfahrern, mit ihren Zielorten genauso angeschrien.
Aber wir finden den richtigen Bus und es fühlt sich schon ein wenig nach zu Hause an, als wir nach der langen Busfahrt endlich in unser Stadt, in Matagalpa ankommen.

Kräuterstunde


Die Bakterien, die hier in Nicaragua so herumlungern und gerne hilflose Touristen oder auch hilflose Freiwillige anfallen, sind andere als die, die in Deutschland ihr Unwesen treiben. Und deswegen müssen wir Europäer uns erst einmal an diese hartnäckigen Biester gewöhnen, dass versucht mein Magen zu mindestens nun schon eine ganze Weile.
Als ich meiner Sprachlehrerin und gleichzeitig auch Freundin davon berichte, erzählt sie mir, dass sie da jemanden kennen würde, der sich mit „so etwas“ auskennt. Grundsätzlich kennt man in Nicaragua für jedes „Problem“ immer jemanden, der jemanden kennt, der jemanden anderen wieder herum kennt, der vielleicht die Lösung dafür haben könnte.
Hierbei handele es sich um eine Frau, zu der auch sie immer gehen würde, wenn es ihr nicht gut geht. Denn auch die Nicas selber, bleiben von den zahlreichen Bakterien hier, nicht verschont.
Ehe ich mich versehe, schleppt sie mich also durch die halbe Stadt, bis wir vor einem sehr sehr kleinen grünen Häuschen stehen. Meine Freundin verabschiedet sich auf einmal von mir, denn sie hat noch sooo viel zu tun und so betrete ich etwas schüchtern und alleine die kleine Hütte, die am Hang eines sehr steilen Berges liegt. Große Regale, vollgestopft mit Kerzen und Kräutern lassen das winzige Zimmer aussehen, als würde es gleich platzen. Plötzlich steht eine kleine Frau vor mir, sie sieht europäisch aus und spricht mit spanischem Akzent.
Ich fange also an ihr meine Beschwerden zu erklären, zu mindestens versuche ich es, ihr Blick durchlöchert mich dabei förmlich und ich werde mir mit jeder Sekunde selber unsicherer, was ich denn nun eigentlich habe. Schließlich guckt sie mich ein wenig ratlos an und bittet mich durch, in ein noch viel winzigeres Hinterzimmer, in dem nur eine Liege steht. Auf die soll ich mich drauf setzen. Meine Tasche muss in einen anderen Raum, auch meine Armbänder und Ohrringe. Dann nimmt sie meine Hand und legt sie auf verschiedene beschriebene Papierblätter. Immer wenn sie meine Hand herunterdrückt schaut sie mich an, aber wie! Es fühlt sich ein wenig beängstigend an und ich würde gerne drauf los kichern, aber das traue ich mich nicht.
Ich weiß nicht was du hast, aber es sind keine Parasiten, sagt sie mir schließlich. Und ich weiß nicht, ob ich erleichtert oder weiterhin ein wenig beunruhigt sein soll. Dann verschwindet sie bei den Regalen und kommt mit einem Arm voll, verschiedenster Kräutertütchen wieder zurück. Eine zweite, noch kleinere Frau taucht auf und hält mir eine Art Metall-Stab an die Schulter. Die beiden Frauen reiben sich gegenseitig an den Händen und legen mir die Kräuter in die Hand, dass machen sie eine ganze Weile so. Immer wieder seufzt die Spanierin und schüttelt mit dem Kopf.
Dann ist sie wieder weg, kehrt schnell mit neuen Kräutern zurück und die ganze Prozedur wird wiederholt. Sie mischt zwei verschiedene Kräuter und scheint nun endlich zufrieden zu sein.
Ja, das sind die richtigen für dich, sagt sie und ich muss an die Szene in Harry Potter denken, in der Harry seinen Zauberstab kauft. Die Läden teilen jedenfalls einiges an Ähnlichkeiten, sehr urig.
Von diesen Kräutern, die ich übrigens noch nie gesehen habe und überhaupt nicht weiß, was sie sein könnten, soll ich mir täglich einen Liter Tee kochen, dann soll es meinem Magen schnell besser gehen. Ich bedanke mich und bin froh, als ich den Laden verlassen kann und mir wieder Tageslicht ins Gesicht scheint. Jetzt trinke ich also jeden Tag diesen Tee und warte auf seine Zauberwirkung.

Managua

Managua, die Hauptstadt Nicaraguas ist eine eigenartige und sehr spezielle Stadt. Sie ist groß, voll, heiß, laut, dreckig, chaotisch sehr reich und furchtbar arm. In Managua kann man teure Autos neben halb auseinander fallenden Pferdekutschen, über große Straßen fahren sehen. Es gibt westlich wirkende, bewachte Einkaufszentren, sogar ein McDonalds und daneben Hütten, die notdürftig und provisorisch aus Holz und Wellblech zusammen genagelt wurden. Es gibt Kinos, Bars und sogar ein Theater, aber ein Zentrum gibt es nicht. Managua besteht aus vielen großen, parallel liegenden Straßen und besitzt keine Innenstadt. An dieser Stadt wird ziemlich deutlich, dass es in Nicaragua so gut wie keine Mittelschicht gibt. Entweder man ist sehr reich und kommt sogar in die klimatisierte Shoppingmall rein oder man ist arm und hat fast nichts.
Managua ist zwar die sicherste Hauptstadt Zentralamerikas, aber trotzdem werden wir immer davor gewarnt, dort nicht frei herum zu laufen und nur ein Taxi seguro- ein sicheres Taxi zu benutzen.
Genau das machen wir auch, als wir vor ca. drei Wochen nach Mangua reisen, um unser Jahresvisum in der Deutschen Botschaft zu beantragen.
Der (sichere) Taxifahrer kutschiert uns also vom Busbahnhof durch die halbe Stadt bis zur Botschaft. Er ist sehr nett und erzählt viel, aber der Trubel auf den Straßen interessiert mich mehr und so schaue ich gebannt aus dem Fenster.
Dass, die Nicaraguaner ein etwas anderes Lärmempfinden haben, habe ich wohl schon mitbekommen und trotzdem bin ich erstaunt, als ich am Straßenrand ein kleines Kind tief schlafend in einer Hängematte sehe, als unser Taxi an einer riesigen Kreuzung für einen Moment anhält. Es wird gehupt, gebrüllt, dazwischen preisen einzelne Verkäufer lautstark ihre Ware an und schlängeln sich von Auto zu Auto. Es ist ja nicht so, dass ich jetzt unbedingt eine Matratze, Hängematte oder einen großen Topf kaufen wollte, während ich im Taxi sitze. Aber wenn man mal in Not ist und gerade keine Matratze hat, kann das bestimmt ganz praktisch sein.
Als wir wieder anfahren, sehe ich auf der anderen Straßenseite einen alten Mann sitzen, der seelenruhig seine Zeitung liest. Dann wird der Zug vom Wind zu stark und ich kurble das Fenster wieder hoch. Wo in Managua die Regierung denn säße, fragt Janek den Taxifahrer. Da muss er ein wenig überlegen. Schließlich antwortet er, dass es am See zwar ein offizielles Gebäude gäbe, für Staatsempfänge und so. Aber sonst benutze diese Regierung es nicht. Sie treffen sich meistens bei einem der Politiker zu Hause, erklärt uns der kleine Mann, für den das ziemlich selbstverständlich scheint. Ich finde diese Idee komisch.
Endlich kommen wir an der Botschaft an und aus dem stickigen, alten Taxi heraus. Wir sollen ihn anrufen, wenn wir wieder abgeholt werden möchten. Dann ist er sofort da, beteuert uns der Taxifahrer. Wir notieren uns also seine Nummer und gehen in die Botschaft. Naja, erstmal versuchen wir durch die Sicherheitsschranke zu gelangen, die einfach nicht aufhören will zu piepen. Ob wir Waffen mit haben werden wir gefragt. Nein. Dann müssen wir allerhand Zeugs auspacken und piepen immer noch, aber nach einiger Zeit werden wir dann trotzdem durchgelassen und betreten endlich die Botschaft. Es ist angenehm klimatisiert, Poster über Deutschland hängen an den Wänden und man hört deutsche Stimmen- irgendwie komisch. Die Formulare, die wir noch in letzter Minute aufwändig in Deutschland organisiert hatten, werden nicht gebraucht. Dafür zwei Passfotos. Janek, Larissa und ich haben uns am Tag vorher noch schnell welche in Matagalpa machen lassen, eine sehr lustige Erfahrung. Janek wurde vor dem Fotografieren extra noch geschminkt, wir mussten Jacketts anziehen und die Haare ganz zurück kämmen. Danach wurde das Bild noch auf dem Computer bearbeitet und aufgehellt. Als ich mein Foto zum ersten mal sah, habe ich mich schon ein wenig erschrocken, denn ich ähnele darauf einer Leiche ungemein.
Die zuständige Frau in der Botschaft, die ein wenig aussieht wie eine Fantasiefigur aus „Herr Der Ringe“ (Janek, das habe ich für dich geschrieben), nimmt geduldig unsere Daten auf und spricht mit einem süddeutschen Akzent.
Eine alte Frau wartet neben uns und drei weiteren Freiwilligen. Sie fragt uns allerhand und erzählt uns allerhand, zum Beispiel, dass sie schon seit 50 Jahren hier in Nicaragua lebt. Das finde ich schon sehr beeindruckend. Schließlich werden wir dann noch zum Essen zu ihr nach Hause eingeladen und wir sollen doch Deutschland schöne Grüße von ihr bestellen, wenn wir wieder zurück fahren.
Dann sind wir auch schon mit allem fertig und können unser Visum in 4 Wochen abholen. Wir rufen den Taxifahrer an, der uns sagt, dass er schon fast bei uns um die Ecke ist und warten trotzdem noch geschätzte dreißig Minuten, bis er uns schließlich abholen kommt.
In Managua sind halt auch die Ecken etwas größer.

Das Monsterauto


Es ist Samstag Abend, mal wieder regnet es, aber so richtig fängt es natürlich erst in dem Augenblick an, als ich mit einer Freundin das Haus verlasse und wir uns auf den Weg nach „Grupo Venancia“ machen. Grupo Venancia ist eine Frauenorganisation, die auch so etwas wie ein kulturelles Zentrum besitzen. Wenn man Kultur sucht in Matagalpa, dann kann man nur dort etwas finden. Jedes Wochenende werden Filme gezeigt, es gibt Theaterstücke oder Vorträge. Es ist fast immer etwas los und gutes Essen gibt es dort auch.
An diesem Abend haben wir noch nicht einmal die Hälfte des Weges zurück gelegt und sind schon total nass. Es ist nicht viel los auf den schwach beleuchteten Straßen. Musik ertönt aus jedem zweiten Haus, Menschen begutachten das Geschehen auf den Straßen von ihren Wohnzimmern aus. Türen und „Fenster“, so fern es welche gibt, sind hier eigentlich nie geschlossen. Gardinen kennt man nicht. Ich bin neugierig und gucke ab und zu in eines der Häuser herein:
Eine alte Frau sitzt vor ihrem sehr, wirklich sehr laut eingestellten Radio, man könnte meinen es findet ein Party statt und lächelt vor sich hin.
Im nächsten Haus sitzt die ganze Familie verstreut auf dem Boden und auf Stühlen. Sie essen zusammen aus der gleichen Schüssel, in Nicaragua teilt man das Essen immer.
Ein Haus weiter wippt ein alter Mann in seinem Schaukelstuhl langsam vor und zurück, während sein Enkel, das Motorrad startet, welches mitten, wirklich mitten im Wohnzimmer steht.
Ich muss schmunzeln und wir laufen weiter, hangeln uns von Vordach zu Vordach und versuchen nicht noch nasser zu werden.
Bis plötzlich meine Freundin stehen bleibt und laut „Nein!“ ruft. Was denn los wäre, frage ich verdutzt. Aber es bleibt keine Zeit auf meine Frage zu antworten. Sie zeigt bloß mit dem Finger auf eins sehr, wirklich fast überdimensionales Auto, das uns auf unserer Straßenseite entgegen kommt und die Hauswände mit einer seltsamen Flüssigkeit ab zu sprühen scheint.
Schnell, an die Wand!“, schreit sie mich an. Wir drücken uns dicht an die Wand des Hauses vor dem wir gerade stehen, mit den Händen schützen wir unsere Augen und ich frage mich, was jetzt wohl als nächstes passiert. Darauf muss ich nicht lange warten, denn im nächsten Augenblick hat das Riesenauto unsere Höhe erreicht und wir werden, genau wie die Häuser ab gesprüht, mit einer mir bis dahin unbekannten Substanz. Als das Auto vorbei gefahren ist, ist die Luft von Gas erfüllt und wir müssen beide stark husten. Es stinkt nach Chemie und ich sehe, wie sich das Gas in der Luft langsam auflöst.
Was war das?“ frage ich ziemlich erschrocken. „Ein Insektenvernichtungsmittel - die sprühen damit immer die Häuser ab, um lästige Insekten zu töten.“
Nicht nur nass, sondern auch nach Insektenvertilgungsmittel riechend, kommen wir schließlich an unserem Ziel an. Das Theaterstück ist diesmal sehr gut. (Eine Vorstellung von zwei argentinischen Künstlern, die mit dem Fahrrad bis nach Nicaragua hoch gefahren sind.)
Aber trotzdem ärgere ich mich, dass das Auto nicht anhalten konnte oder uns vorbei gelassen hat, denn der Fahrer hat uns eindeutig gesehen.
Wenigstens kann ich sicher sein, dass ich an diesem Abend nicht mehr von Kakerlaken oder anderem gefährlichen Getier angefallen werde.