Sonntag, 28. November 2010

Die Fritanga

Eine Fritanga kann man vielleicht mit einer gewöhnlichen „Pommesbude“ in
Deutschland vergleichen. Naja, vielleicht....
Fritangas findet man in Nicaragua an fast jeder Ecke und in fast jeder
Seitenstraße.
Dass man nach wenigen Metern auf eine Fritanga stoßen wird kann man bereits am
Geruch erahnen. Denn das Geheimrezept einer Fritanga lautet: „Frittiere
alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist!“
Dementsprechend verhalten sich dann auch die Luftbedingungen in der Fritanga und in ihrer Umgebung.
Schon vor dem Eintreten wird man von einer gewaltigen Rauchwolke begrüßt,
frittiert wird nämlich meistens draußen vor dem Laden auf der Straße.
Befindet man sich dann in dem laden, fällt das Atmen schwerer und auch
die Sicht erscheint ein wenig unklar.
Fritangas werden von den Nicas gerne besucht und so drängen sich häufig viel
zu viele Menschen in den kleinen Räumen, an den wenigen Plastiktischen.
Eine Speisekarte gibt es nicht; man fragt nach, was es denn gerade so geben
könnte. Und eigentlich ist die Antwort immer gleich:
Gallo Pinto (Reis mit Bohnen, frittiert), alle möglichen Sorten und Arten von
Fleisch (natürlich frittiert), Platano (frittierte Banane, auch als Chips
möglich), Enchiladas, manchmal auch Tacos und als Beilage Tortilla und Salat.
Der Salat dient allerdings mehr als Dekoration und besteht ausschließlich aus
Kohl. Über die ganze Sache kippen sich die Nicas gerne haufenweise scharfes
Chilly. Zum Trinken gibt es furchtbar süße Säfte, Bier oder Cola.
Nach dem Essen bezahlt man meistens am Ausgang, wo eine Person sitzt, die einem
dann spontan den Preis für das Mahl nennt.
Ist man wieder auf der Straße, oder besser gesagt einige Straßen von der
Fritanga entfernt, merkt man erst, dass man in der Fritanga glatt selbst
mit-frittiert wurde und fühlt sich wie ein gegrilltes Hühnchen.

Dienstag, 23. November 2010

Ausflug in die Wupperberge


Nein, in Deutschland war ich letztes Wochenende nicht. Aber dafür in Jinotega – genau, in der Partnerstadt Solingens.
Das kleine Städtchen im Norden Nicaraguas, ist gerade einmal eine gute Busstunde von Matagalpa aus entfernt, insofern die Straßen-, Bus- und Wetterverhältnisse stimmen.
Wir brauchen an diesem Samstag etwas länger. Der Bus ist wie immer überfüllt, aber dafür bekommen wir eine kleine Vorführung, von zwei eher mäßig lustigen Clowns, geboten. Ein weiterer Mann hält, in dem wirklich prall gefüllten Bus (ich frage mich immer noch wie er das gemacht hat) einen Vortrag über Würmer und Parasiten und verkauft Medikamente, die angeblich dagegen helfen sollen. Der Bus kutschiert uns durch die Berge, an einsamen Hütten vorbei, vorbei an Kuhherden, die von ihren Besitzern über die Straße gescheucht werden.
Irgendwann kommen wir dann doch an, in Jinotega, und zwar an einem sehr kleinen Busbahnhof. Genauer gesagt, werden wir an einem staubigen Platz raus gelassen, auf dem sich lediglich ein Kiosk befindet.
Unser Plan für den Tag: Den Cerro de la cruz (Berg des Kreuzes) besteigen.
Wir machen uns also auf und laufen durch die engen Straßen, in Richtung Friedhof.
Mir kommt alles recht klein und geordnet vor. Außerdem ist es, verglichen mit der Innenstadt Matagalpas, sehr ruhig.
Was am meisten auffällt, ist der Klimaunterschied. Jinotega liegt nördlicher und noch weiter in den Bergen als Matagalpa. Das spüre ich deutlich und rede mir ein, in meinem T-shirt und der kurzen Hose zu frieren.
Warm wird uns aber spätestens, als wir über den wunderschöner Friedhof laufen, der am Hang des Berges liegt und bunt geschmückt ist. Die Gräber sind angemalt, überall hängen bunte Girlanden und Plastikblumen in allen Farben. Viele Gräber sind von einer bunten Mauer oder einem angemalten Zaun umgeben, auf einigen ist sogar ein kleines Häuschen erbaut.
Die Friedhöfe hier, sind generell pompöser, größer, bunter und voller. Aber um diese Zeit sind sie besonders bunt, denn am 02.11 hat man in Nicaragua Allerheiligen gefeiert. Das war eine große Sache hier, die Angehörigen der Toten haben an diesem Tag, die Gräber angemalt, sie mit Blumen oder anderen Verzierungen dekoriert. Die können wir an diesem Samstag also immer noch bewundern.
Es dauert ein bisschen, bis wir den richtigen Weg hoch zum Kreuz finden. Wir versuchen uns durchs Dickicht zu schlagen, beschließen, dann den Leuten mit der Manschette hinterher zu laufen.
Die Natur ist wunderschön, alles ist grün, Schmetterlinge begleiten uns und es ist nur schwer vorzustellen, dass die ganze Landschaft in einigen Wochen braun werden wird.
Die Steigung wird mit der Zeit immer stärker, einen richtigen Weg gibt es nicht und an manchen Stellen sind wagemutige Klettermanöver gefragt.
Nach ca 45 Minuten, kommen wir geschwitzt, aber glücklich oben an und werden belohnt, mit einer gigantischen Aussicht!
Ausblick auf Jinotega
Große, begrünte Berge, umschließen die kleine Stadt Jinotega, die sich in das enge Tal zwängt. Die Berglandschaft, erinnert wirklich ein wenig an Solingen und die Wupperberge, mal abgesehen von der Vegetation.
Zur Linken, ist ein großer See zu sehen, der Lago de Apanas, dessen Wasser in der Sonne glitzert und auf dem sich mehrere kleine Inselchen befinden.
El Lago de Apanas
Auf der anderen Seite schauen wir auf eine wunderschöne grüne Berglandschaft und wir streiten uns, ob man dort bereits Honduras sehen kann, oder ob die ganze Landschaft noch zu Nicaragua gehört.
Nachdem wir genug Aussicht, Sonne und Kraft getankt haben, steigen wir  wieder ab und begegnen auf dem Rückweg einigen Kühen, die sich faszinierender weise durch das Dickicht schlagen.
Unten angekommen, schlendern wir durch die Stadt zurück zum Busbahnhof. Kehren noch schnell auf ein Pithaya (Drachenfrucht) Eis ein und beobachten ein altes Ehepaar, was auf Campingstühlen neben ihrem sehr großen Auto, in ihrem Wohnzimmer sitzt (Ja, Autos werden hier oft im Wohnzimmer geparkt) und durch die Gitterstäbe der Fenster, die Menschen auf der Straße beobachtet.

Sonntag, 7. November 2010

Einblick in die nicaraguanische Sprache - Lektion I: Gestik, Mimik und verbale Ausdrucksmöglichkeiten

Woraus setzt sich eigentlich eine Sprache zusammen? Was macht eine Sprache aus und wodurch unterscheidet sich eine Sprache von einer anderen?
Natürlich, eine Sprache besteht aus Wörtern, sie besteht aus zahlreichen Vokabeln, einer Grammatik und aus einer Aussprache, die sich häufig von der eigentlichen Schreibweise unterscheidet.
Eine Sprache besteht also aus Regeln, Regeln die festgelegt sind und die man in Büchern nach schlagen kann.
Zu einer Sprache gehören aber auch Umgangsweisen, Angewohnheiten, die auf den ersten Blick weniger transparent sind, die man in keinem Sprachunterricht lernen würde und die auch in keinem Lexikon zu finden sind.
Damit meine ich zum Beispiel die Körpersprache; Mimik, Gestik, Verhaltensweisen, Ausdrücke oder Ausrufe, die von Sprache zu Sprache variieren und die man meistens nur im Umgang oder im Gebrauch mit ihr, erfährt.
Die nicraguanische Sprache, ist scheinbar voll von Ausdrucksweisen und Eigenarten, die die Theatralik der Sprache anheben und in den verschiedensten Situationen, unterschiedlich unterstreichen.
Hier ein paar typisch nicaraguanische Ausdrucksvorlieben, Gestiken und Angewohnheiten, die man täglich auf der Straße und in Gesprächen beobachten kann:


1.Den Erfolg des Verstehens eines Sachzusammenhangs, oder auch das Einleuchten einer Erklärung, betonen die Nicaraguaner gerne durch ein kräftiges und sehr lang gezogenes „Ahhhhh- ya“. Das ya, kann als Variation auch wie dscha ausgesprochen werden, ebenso kann man es mehrmals hintereinander wiederholen.
Beispiel: „Ahhhhh ya- (kurze Pause) ya, ya“.
2.Wenn man ausdrücken, beziehungsweise unterstreichen möchte, wie schlimm, wie tragisch oder auch wie absurd etwas ist, dann macht man diese Tragik zusätzlich durch eine Handbewegung deutlich.
Hierbei berühren sich Daumen und Mittelfinger jeweils mit den Fingerkuppen. Die Hand wird stark geschüttelt - der Arm bleibt jedoch ruhig, die Bewegung kommt lediglich aus dem Handgelenk - sodass der Zeigefinger auf den Mittelfinger schlägt und durch das Aufeinander schlagen und Schlackern der Finger, ein Geräusch erzeugt wird. Besonders effektiv wirkt diese Bewegung bei Ringträgern.
Zusätzlich zu dieser Bewegung, ruft man laut und sehr pathetisch „ayayayayayayay!“ , das Gesicht wird dabei gerne verzogen.
Vorsicht beim Nachmachen: Die Bewegung erscheint wenig gesund und kann schmerzhaft sein, wenn man krampfhaft versucht, Geräusche mit den Fingern zu erzeugen.
3.Ein höfliches „Wie Bitte?“ oder meinetwegen auch ein „Was?“, kennen die Nicaraguaner so gut wie nicht. Wenn sie etwas nicht verstehen, beziehungsweise die Person nicht verstehen, mit der sie reden, dann signalisieren sie ihr Unverständnis durch ein ziemlich lang gezogenes „Hääää?“, oder auch durch ein „Haaaa?“; meistens in einer schrillen und prägnanten Tonart.
(Kurze Anmerkung hierbei: Ich stelle geradezu mit Entsetzen fest, dass auch ich schon diese Angewohnheit aufgenommen habe und entschuldige mich hiermit schon einmal im Vorfeld für ihren Gebrauch.)
4.Im Restaurant oder in der Bar wird die Bedienung mit einem Zischen und einer Handbewegung gerufen, die allerdings genau das Gegenteil des Verlangens ausdrückt.
Dazu streckt man den Arm nach vorne aus und winkt mit der Hand, die auf dem Boden zeigt, mehrmals hin und her. Die Handbewegung, geht dabei allerdings weg von der winkenden Person - es ist also eher ein Wegwinken, als ein Heranwinken, was ich am Anfang sehr verwirrend fand. Verbal, macht man sich zu der Bewegung durch ein Zischeln „ksksksksks“, deutlich und unterstreicht sein Anliegen auch gerne mal durch einen Ausruf wie „Eh muchacho!“.
Wenn man jemanden auf der Straße trifft oder generell die Aufmerksamkeit einer anderen
Person erlangen möchte, benutzt man dieses Zischeln ebenfalls. Mit Vorliebe wird
es außerdem von Männern gebraucht, die den Frauen auf der Straße gerne mal
hinterher zischeln.
5.Das Tempo, in dem sich die meisten Nicaraguaner durch die Straßen bewegen, kann man noch nicht einmal mit deutschem „Schlendertempo“ vergleichen, vielleicht mit der Hälfte seiner Geschwindigkeit. Grundsätzlich weicht einem keiner aus und auch die Autos, Motorräder, Fahrräder oder Pferde, haben immer Vorfahrt. Straßenüberquerungen, sind bisweilen mit Risiken eng verbunden. Sein Stückchen Freiheit auf der Straße oder auf dem engen Bürgersteig, falls es einen gibt, muss man sich stets erkämpfen und den ganzen Weg über hartnäckig verteidigen..
6.Trifft man Bekanntschaft auf der Straße, grüßt man sich stets mit einem sehr tief und lang gesprochenen „Adiiioooós“, dabei liegt die Betonung auf dem letzten O. Als Antwort darauf, kann man ein zweites Adiooooós entgegnen, oder aber auch mit einem
„Que honda, prix“ kontern, auf deutsch, was geht Kumpel.
Männer benutzen diese Art Adios auch gerne, um Frauen auf der Straße anzusprechen und leider übersetzen sie dieses Wort (wörtlich) ins Englische, was da goodbye wäre., sodass einem häufig ein eigenartig ausgesprochenes „goodbye“ hinterher gerufen wird.
7.Möchte man seinem Gesprächspartner, das Gegenteil seines Statements klar machen und sein eigenes bestärken, würde man sich in der deutschen Sprache, wahrscheinlich auf ein „Oh doch“, oder „Aber ja“ beziehen. In Nicaragua verweist man in diesem Falle auf den Ausdruck „Uhhhh si!“. Das Uhhhhh wird dabei sehr hoch, sehr lang und furchtbar spitz ausgesprochen. Wichtig ist, dass man mit der Stimme deutlich eine oder auch mehrere Tonarten höher geht.