Montag, 24. Januar 2011

Nachtrag aus dem November

Es regnet wie aus Strömen, ich bin spät dran und müsste eigentlich bereits in fünf Minuten in der Schule, zum Nachmittagsunterricht erscheinen.
Also beschließe ich ein Taxi zu nehmen. Leider ist das Fenster dieses Taxis (wie so häufig) kaputt, es regnet herein und meine rechte Körperseite wird nun trotzdem nass.
Der Taxifahrer fährt schnell, die Scheibe ist beschlagen; hin und wieder versucht er sich mit einem kleinen blauen Tuch klare Sicht zu verschaffen.
Während ich mich krampfhaft versuche irgendwo festzuhalten und es sehr konzentriert vermeide nach vorne, beziehungsweise auf die Straße zu schauen, beginnt der Taxifahrer das Gespräch.
Scheußliches Wetter.“
Mehr als ein „Mhhhh, stimmt.“, fällt mir in diesem Moment dazu nicht ein.
Wo ich denn her komme, fragt er ungestört weiter.
Aus Deutschland.“, erwidere ich und hoffe, dass ich es noch rechtzeitig zum Unterricht schaffe.
Ahhhhh aus Deuuuuuuuutschland.“, schmettert er mir freudig entgegen.
Da kommt doch dieser ganz berühmte Mann her, dieser..., wie heißt er noch...., dieser Hiiiiiitler.“
Äh ja, stimmt“, sage ich nur und werde auch schon wieder vom Taxifahrer unterbrochen.
Weltberühmt, dieser Mann! Der hat doch alle kleinen Leute umgebracht, oder? Deswegen seit ihr auch alle so groß.
Nicht nur die Kleinen hat er umgebracht.“, antworte ich, als wir endlich in die Straße meiner Schule einbiegen.
Der Taxifahrer lacht laut, er hält an um mich heraus zu lassen. Ich bezahle, bedanke mich und habe schon fast die Tür geschlossen, da ruft er mir hinterher:
Und Klose, kennst du auch Kloose?
Ja, Klose kenne ich auch!“, schreie ich ihm durch den Regen zu und betrete endlich nass, aber pünktlich das Schulgelände.

Nachtrag aus dem November

Es ist die letzte Sportstunde für die 3B vor den Ferien und nach dem üblichen Programm, bieten ich und Profe Darling den Kindern an Fußball oder ein anderes Spiel zu spielen.
Jubelnd und voller Elan, teilen sie sich in Gruppen auf und beginnen mit dem alten Ball zu spielen, der eigentlich ein Volleyball ist, während ich und Profe Darling auf der kleinen Mauer sitzen und ihnen zu sehen.
Plötzlich sehe ich Marjine (Name geändert), ein stämmiges Mädchen, wie sie auf den scheinbar flüchtenden Johnton (Name geändert) zu rennt und ihm grob am Hemd packt.
Intuitiv springen ich und Profe Darling auf, eilen zu den sich schlagenden Kindern und versuchen sie auseinander zu ziehen. Wir ziehen und zerren und schreien, aber das Mädchen ist so sehr in Rage, dass wir sie nicht von dem Jungen losbekommen.
Dann geht alles ganz schnell. Sie zieht ihn an den Haaren und schlägt seinen Kopf mit voller Wucht gegen den eisernen Türrahmen. Sofort spritzt Blut aus seinem Kopf, das Mädchen lässt los. Blut tropft ihm von der Stirn, sein weißes Schulhemd verfärbt sich immer röter, über all ist Blut. An meinen Händen, an Profe Darlings Händen, auf dem Boden, an der Wand.
Schnell renne ich ins Büro und verlange nach dem erste Hilfekasten, während Profe Darling den Jungen ins Büro schleppt und auf einen Stuhl setzt.
Ein paar Lehrerinnen fangen an zu kreischen; meine Direktorin steht mal wieder den Tränen nahe und schreit: „Was ist passiert, was ist passiert?“
Johnton, der eigentlich dunkelhäutig ist, ist nun fast weiß im Gesicht, zittert und ihm steht der Schock ins Gesicht geschrieben. Ich reiche Mullbinden, Watte und was sonst noch so vorhanden ist, womit Mercedes und Darling versuchen den Blutstrom aufzuhalten.
Wir müssen einen Krankenwagen rufen.“, sage ich und suche nach dem Telefonbuch, während sich die Direktorin angewidert abwendet und den Haufen von Kindern verscheucht, die sich alle ins Büro drängen, an der Tür und dem kleinen Fenster hängen, um einen Blick auf ihren Klassenkameraden zu erhaschen.
Nein,“, sagt Mercedes, die inzwischen die Haare um die Kopfwunde des Jungen abgeschnitten hat. „Die Wunde ist nicht so groß. Er brauch nur einen Kaffee.
Einen Kaffee! Mir fällt es schwer, aber ich begutachte die Wunde. Sie ist nicht so groß wie ich gedacht habe, aber sie befindet sich an des Jungens Kopf und sie ist offen. In Deutschland würde man so eine Wunde nähen, beziehungsweise irgendwie versuchen zu schützen. In Nicaragua bekommt man dagegen einen Kaffee und weil Johnton heute noch nichts gegessen hat auch ein Stück Brot.
Die sonst so herzliche und geduldige Direktorin scheint mit den Nerven am Ende zu sein.
Es gibt nieeee wieder Sportunterricht für euch!“, schreit sie die draußen wartenden Kinder an, die zum großen Teil noch nicht einmal wissen, was überhaupt vorgefallen ist und die bis vor wenigen Minuten fröhlich zusammen Fußball spielten.
Dann wird Marjine herein gerufen; es tut mir Leid zu sehen, wie sie fast verhört wird. Selbst sichtlich geschockt, versucht sie sich zu verteidigen. Er habe sie beleidigt, er hätte angefangen, er habe ihr hinterher gerufen, sie hätte Omaschuhe an.
Das ist noch lange keinen Grund sich so zu verhalten.“, brüllt meine Direktorin. Für den Rest des Schuljahres (nur noch wenige Tage), dürfe sie zur Strafe nicht mehr in die Schule kommen.
Johnton sitzt derweilen weiterhin reglos auf dem Stuhl, ein Klassenkamerad borgt ihm sein Hemd. Ob ihn nicht jemand abholen komme, frage ich. Aber er wohnt weit in den Bergen und seine Mutter schaffe es nicht ihn zu holen. Die anderen Kinder, die würden bei ihm in der Nähe wohnen und ihn mitnehmen. Geheuer scheint mir das nicht und ich muss schlucken, als Profe Darling den Kindern nachruft „Und passt auf, dass er euch nicht umkippt“, während sie das Schulgelände verlassen.
Mercedes wischt durch das Büro, ich räume alles wieder weg und wasche mir die Hände.
Was muss man alles schon gesehen und erlebt haben, frage ich mich, wenn man als Kind schon zu so brutalen Handlungen fähig ist. Und leider glaube ich auf diese Frage, die Antwort bereits zu kennen.

Samstag, 15. Januar 2011

On the road

Wie fasst man eine dreiwöchige Reise, vollgestopft mit Erlebnissen und neuen Eindrücken leserfreundlich und gleichzeitig so authentisch wie möglich zusammen?
Eine Frage, vor der ich gerade stehe, beziehungsweise sitze, um die ich mich die ganze Zeit nun schon herum winde und nicht so recht weiß, von welcher Seite aus ich sie angehen soll.
Ich glaube aber, dass es am interessantesten für euch ist, wenn ich euch über einige meiner Eindrücken, über Land und Leute berichte und zwischen durch Bilder sprechen lasse, die häufig so viel mehr sagen können.
Zur Orientierung sei gesagt, dass ich und Janek uns am 4.12, ganz früh morgens aufmachten, um den Bus nach San Salvador zu nehmen.
Von San Salvador aus, sind wir dann am nächsten Morgen nach Guatemala City gefahren, unser Ausgangspunkt für eine Art Rundreise durch Guatemala. Im Norden sind wir dann noch über die Grenze und haben einen einwöchigen Abstechers nach Südmexico, Chiapas gemacht.
Lago de Atitlán (Guatemala)
Aber nun zum spannenderen Teil.....die Eindrücke.

In Guatemala fand ich zum Beispiel sehr auffallend, wie stark noch immer die indigene Kultur sichtbar, auch im Alltag der Leute vertreten ist.
Es heißt, dass noch um die 70% der Bevölkerung Guatemalas Indigen ist, was man alleine schon auf den Straßen deutlich spüren kann.
Die Menschen sind im Verhältnis recht klein, ihre Haut ist dunkler als die des „durchschnittlichen“ Nicaraguaners und zu mindestens die Frauen kleiden sich auch heute noch in den alten Trachten.
Ihre Hemden und Röcke bestehen aus wunderschönen bunten gewebten Stoffen, ihre Kinder transportieren sie auf dem Rücken, ebenfalls mit Stoffen festgebunden und auf dem Kopf werden die Besorgungen, manchmal auch Hühner, Stauden oder ähnliches, in großen Körben balanciert.
Während für die Frauen die Trachten als alltägliche Mode gang und gäbe sind, findet man nur noch selten einen Mann in diesen Stoffen gekleidet. Meistens tragen sie, wie viele Nicas auch, Cowboystiefel, Jeans mit breitem Ledergürtel und einen Hut.
Die Sprache „Maya“, hört man ebenfalls an allen Ecken und sie hat keine, wirklich gar keine Ähnlichkeit mit dem Spanischen. Ich habe mich einmal mit einem Jungen unterhalten, der mir versucht hat einige Wörter auf Maya bei zu bringen (die ich aber in der nächsten Sekunde meistens schon wieder vergessen hatte, weil sie so furchtbar ungewohnt und anders waren) und der mir erzählte, dass er Spanisch erst in der Schule gelernt habe. Untereinander reden die Guates viel Maya und selbst im Radio oder im Fernsehen gibt es sehr viele Programme auf Maya.
Antigua (Guatemala)
Ich finde es gut und bewundernswert, dass sie ihre Kultur so hegen und pflegen, in Nicaragua ist in dieser Hinsicht leider viel verloren gegangen.

Was mir durch die Reise außerdem nochmal klarer geworden ist, ist dass Nicaragua wirklich ein sehr armes Land ist und weit hinter den anderen lateinamerikanischen Ländern liegt.
Ich hatte mich schon so sehr an die Verhältnisse und Umstände hier in Nicaragua gewöhnt, dass ich fast schon ein bisschen geschockt war, als wir nach El Salvador und Guatemala City kamen; und es wirklich richtige Städte waren, mit hohen Häusern, polierten Gebäuden und einem richtigen Infrastruktursystem.
Blick auf Antigua und den Vulkan
Aber nicht nur das, auch im Laufe der Reise habe ich die Verhältnisse immer wieder mit Nicaragua verglichen und zum Beispiel warmes Wasser, asphaltierte Straßen, richtige Häuser und das zum Teil viel breitere Angebot in den Geschäften, als wahren Luxus empfunden.
Gewiss, ist Guatemala kein reiches Land und es gibt auch heute noch viele arme Dörfer auf dem Land, aber die Armut war für mich weniger offensichtlich, als sie in Nicaragua erscheint.
Ich wurde in den ganzen drei Wochen zum Beispiel viel weniger von Straßenkindern angebettelt und auch weniger belästigt, als in Nicaragua.
Janek und ich mussten feststellen, dass die Nicaraguaner schon ein wenig unfreundlich sind im Vergleich; viel undeutlicher und genuschelter reden und einen in der Straße viel viel mehr anmachen. Natürlich, Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Wahrscheinlich liegt das aber auch daran, dass die Guatemalteken und gerade auch die Mexicaner bereits viel mehr an „Chelen“, Hellhäutige und Touristen gewöhnt sind; in Nicaragua fällt man als Ausländer immer noch sehr auf.

San Cristobál de las Casas (Mexico)
In Mexico waren wir nur für eine Woche und zwar in Chiapas, dem südlichsten Teil Mexicos, welcher von diesem riesigen Land wohl auch noch am Meisten an Lateinamerika erinnert.
Und trotzdem war es auch wieder auf seine eigene Art und Weise anders. Es war schon irgendwie westlicher, beziehungsweise weiterentwickelt, als Guatemala.
Mexico - Feier zur Ehrung der Jungfrau Guadalupe












In Mexico haben wir besonders die vielen Buchläden und Kinos ausgenutzt, die es in Nicaragua leider nicht gibt. Als ich mir in einer Apotheke ein Nasenspray kaufen wollte, denn durch das ungewohnt kalte Wetter hat es mich erwischt, eine lästige Erkältung plagte mich zwischenzeitlich; war ich von der Sortimentsauswahl durchaus überrascht. Zwischen kleinen bunten Pastillen, Pflastern und normaler „Apothekenware“, gab es außerdem Zigaretten, Schokolade, Eis und Cola zu kaufen.
Außerdem haben wir uns in Palenque die alten Mayaruinen angesehen und sind auf einem sehr beeindruckenden Canon lang gefahren, in dem so einige Krokodile wohnen.
Besonders hervor zu heben ist natürlich auch das mexikanische Essen, alleine deswegen würde sich meiner Meinung nach schon eine Reise nach Mexiko lohnen.
Palenque - Mayaruinen in Mexico
Das Wetter war ebenfalls eine Überraschung für mich. Tagsüber bin ich gerne in T-shirt herum gelaufen, aber nachts wurde es sehr kühl, teilweise nur fünf Grad, da haben wir uns ein bisschen wie in Deutschland gefühlt.

Vor der Reise wurde ich von vielen Leuten gewarnt, die sagten, dass Guatemala und Chiapas zum Reisen viel zu gefährlich seien.
Und diese Ansicht ist auch nicht unbegründet. Ich glaube, ich hätte mich alleine nicht auf diese Reise getraut, wenn ich nicht schon vorher ein bisschen von Mittelamerika gekannt hätte.
Es hat zum Beispiel auch seinen Grund, dass Weltwärts keine Freiwilligen nach Guatemala schickt und man sollte, wenn man dort ist, auch unbedingt einige Regeln beachten.
Uns ist nichts passiert, wir haben aber auch Situation erlebt, die durchaus nicht ungefährlich waren. Auffallend war auch, dass besonders in Guatemala die Sicherheitsvorkehrungen sehr hoch sind. Es ist normal, dass in jeder Straße Sicherheitsbeamte oder Polizei mit großen Gewähren stehen und aufpassen. Klar, die findet man auch in Nicaragua, aber in Guatemala waren sie echt überall. Wir sind häufig in Kontrollen gekommen, die Armee hat beispielsweise mehrmals unsere Gepäckstücke oder die Busse in denen wir reisten durchsucht. Dabei handelt es sich meistens um den illegalen Drogenschmuggel. In einer Stadt gab es ab neun Uhr abends sogar eine Ausgangssperre und in Guatemala City, ist es normal, dass an jeder Busstation ein Polizist steht und auch in jedem Bus mindestens einer mit fährt.
Semuc Champey - in dem blauen Wasser kann man schwimmen
All diese Dinge waren zu erst sehr ungewohnt, gehörten aber schnell mit zum Bild und ich habe mich in fast keiner Situation der Reise unsicher gefühlt.

Ein Ereignis, was mir sehr stark im Gedächtnis geblieben ist, auch wenn es schon fast nicht mehr zur eigentlichen Reise gehört, ist die Grenzüberfahrt nach Nicaragua.
Eigentlich könnte ich problemlos ein ganzes Kapitel über mittelamerikanische Grenzübergänge schreiben. Die Grenze nach Mexico bestand beispielsweise aus einer riesigen Marktstraße; von Mexico nach Guatemala sind wir mit einem kleinen Bötchen über die Grenze gefahren und haben unsere notwendigen Stempel in einer kleinen Holzhütte, mitten auf einer Kuhwiese bekommen.
Tikal - DIE Mayaruinen (Guatemala)
Als wir dann also mit dem Bus von Honduras aus, endlich auf die nicaraguanische Seite kamen, begrüßte Nicaragua uns mal wieder so etwas von typisch, dass ich mich schon direkt richtig „heimisch“ gefühlt habe.
Als einziger Grenzübergang (den ich in den drei Wochen in Mittelamerika passieren durfte) schallte furchtbar laute Musik, samt vibrierenden Basses, aus den rauschenden Lautsprechern. Dazwischen die schrillen Stimmen, der Frauen, Kinder und Männern, die den wartenden Passagieren hartnäckig Orangen, Eis oder Rosquillas (Maisplätzchen, sehr typisch für den Norden Nicaraguas) anboten.
Zutrauliche Nasenbären liefen zu Scharen in Tikal herum








Das Nica- Ambiente wurde gerade zu perfekt, als wir aufgefordert wurden, alle unsere Gepäckstücke aus dem Bus zu holen und in dem kleinen Migrationshäuschen, auf den Boden zu legen. Mehrere Kinder wollen meinen Rucksack die paar Meter für mich tragen (so verdienen sie sich ihr Geld), so dass ich regelrecht an dem Rucksack ziehen und zerren muss, bis sie schließlich aufgeben. In dem Häuschen stehen jetzt also alle Reisenden vor ihren geöffneten Koffern, Taschen und Tüten und warten. Mal wieder warten. Warum oder worauf wir eigentlich warten, diese Frage habe ich mir schon längst abgewöhnt. Man wartet einfach und dabei schnattert man vergnügt oder sieht sich die vielen FSLN- Poster und die alten Sandinobilder an, die neben mehreren Nicaraguakarten hängen. Nach einer gefühlten Viertelstunde erscheint ein sehr alter, sehr faltiger und zudem auch noch sehr kleiner Mann.
Auf dem Kopf trägt er eine Kappe, eine blau-weiße, auf der in verschnörkelter Schrift „Nicaragua“ steht. Er scheint also der „Beamte“ zu sein.
Und tatsächlich, schon nimmt er voller Elan seine ehrenhafte Aufgabe auf sich- nämlich unsere Gepäckstücke zu durchsuchen.
Die Durchsuchung sieht so aus, dass er einmal seine Hand in meinen Rucksack steckt, dabei natürlich gerade eine verdächtige Plastiktüte, vollgestopft mit noch verdächtigeren Mitbringseln erwischt; mir aber freundlich zunickt und dann auch schon zum nächsten weiter geht.
So macht er das bei jedem Wartenden und ich komme mir nach dieser ewigen Wartezeit schon ein wenig veräppelt vor.
Irgendwann darf dann endlich der Letzte seinen Koffer wieder zurück in den Bus räumen und während wir draußen dann mal wieder warten, dieses mal auf die Papiere. Ich kaue gerade an einer Rosquilla, als ich erschrocken feststelle, was das gerade neu begonnene Lied da eigentlich aus den Lautsprechern brüllt. Nach Volksmusik und Nicaschnulzen, jetzt dieses mir bis dahin unbekannte Lied, bei dem mir fast die Ohren abfallen.
Um nur den Refrain und damit den wichtigsten Part des Liedes zu zitieren:
„Bum, bum, bum, bum- Fucking Costa Rica! Bum, bum, bum, bum- El Rio San Juan es Nica!“ (Der Fluss San Juan ist nica). Ja, ungefähr so geht es dann auch noch das ganze Lied über weiter. Klare Ansage! Dazu muss man erklären, dass sich Nicas und Ticos (Costa Ricaner) schon aus der Geschichte heraus nicht leiden können und es viel Streit untereinander gab und gibt. Gerade wieder neu aufgekommen, ist der Streit um den Rio San Juan, ein Fluss der im Nicaraguasee entspringt, an einem Stück die Grenze zu Costa Rica darstellt und eigentlich zu Nicaragua gehört. Das sehen die Ticos jedoch ein wenig anders und so provozieren beide Seiten leider sehr undiplomatisch und sinnlos die derzeitige Situation. Die vielen Ticos, die in unserem Bus reisten schienen ebenfalls geschockt und ich fand diese Situation äußerst unangenhem.

Die Reise war ein tolles Erlebnis und ich hoffe, ich konnte euch wenigstens einen kleinen Einblick geben.

Dienstag, 11. Januar 2011

Feliz Año Nuevo

Ich stehe am 30.12.2010, mit ein paar Freunden in San Juan del Sur an der Pazifikküste am Stand und bin verwirrt.
Es ist Dezember, Deutschland versinkt im Schnee und während ich meine Füße in das lauwarme Meerwasser halte, ziehen hellhäutige Menschen, mit breitem amerikanischen Akzent und ihren Surfbrettern unter den Armen an uns vorbei.
San Juan del Sur, hat wenig zu tun mit dem eigentlichen Nicaragua, mit dem Nicaragua, was ich bis jetzt kenne - ich könnte mich genau so gut an einem Mittelmeerstrand in Südeuropa befinden.
Weiter hinten im Meer dümpeln relativ luxuriöse Schiffe, ab und zu tuckert ein Segelboot vorbei, der zum Teil vermüllte Strand ist gepflastert von bunten Handtüchern, auf denen braun gebrannte oder gerötete Menschen liegen.
Es gibt fast mehr Strandbars und Kaffees als Palmen und auch die kleine Stadt, die sich hinter dem Strand ergibt, erinnert äußerst wenig an Nicaragua.
Die Straßen sind gut in Schuss gehalten; zu viele Autos versuchen auf ihnen Platz zu finden, ein teurer Surfladen reiht sich an den anderen; über siebzig Prozent der Leute auf den Straßen sind Ausländer und selbst auf dem Markt herrschen touristische Preise.
Schnell sind wir uns einig, dass wir hier lieber nicht länger bleiben wollen und so machen wir uns auf, nach Playa Maderas - ein kleiner Strand, zehn Kilometer nördlich von San Juan del Sur gelegen.
Die Natur dort ist noch viel schöner. Die großen Wellen locken so einige Surfer an, aber auch zum Baden geben sie einiges her.
Vom Strand aus begrüßen wir also das neue Jahr. Ich finde es sehr spannend, denn unter klarem Sternenhimmel, in kurzer Hose und T-shirt; an einem Lagerfeuer sitzend, für welches wir vorher Unmengen an Holz zusammen schleppten - habe ich Silvester noch nie gefeiert. Um Punkt zwölf Uhr, werden ein paar vereinzelte Raketen losgelassen, üblich ist es hier eher nicht, aber dafür springen wir alle ins Meer!
Das Feuer trocknet uns schnell danach; später schlafe ich gemütlich in der Hängematte unter Palmen ein und werde erst wieder durch die Sonnenstrahlen und das Vogelgezwitscher des nächsten Morgens geweckt.

Feliz Navidad

Der 24.12 ist ein besonderer Tag. Und als ich mit Janek am Morgen das Haus verlasse, um zwei weitere deutsche Freiwillige hier in Matagalpa zu besuchen, ist die Aufregung der Menschen in den Straßen, die noch schnell die allerletzten Besorgungen treffen, nicht zu übersehen.
Von überall her dudelt Weihnachtsmusik, Geschäfte und Straßen sind überfüllt und nach drei Wochen „Kälte“, freue ich mich wie ein kleines Kind an den schönen warmen Sonnenstrahlen, die auf uns herunter scheinen.
Wir nehmen den Bus, der uns zu Maike und Daniel fahren soll, denn wir haben ein Weihnachtsfrühstück unter Palmen in ihrem Garten geplant.
Allerdings hat der Busfahrer anscheinend das Fleisch für das heutige Festessen vergessen. Er hält also mitten auf dem Markt und feilscht mit der Fleischverkäuferin durch das Fenster über uns hinweg - denn wir drängen uns zu dritt auf dem eineinhalben Platz, der sich vorne neben dem Busfahrer befindet.
Er schimpft und flucht; der Preis für das Libra sei viel zu teuer. aber ehe ich mich versehe bekomme ich eine Tüte mit blutig tropfenden Fleisch in die Hand gedrückt, die ich dem Busfahrer weiter reichen soll.
Als wir bei Maike und Daniel ankommen, nehmen wir also gemeinsam „ein typisches Weihnachtsfrühstück“, mit Milkshake, Obstsalat, Gallo Pinto, Weihnachtsstollen und Lind Schokolade bei Sonne im Garten ein.
Immer wieder wünschen wir uns gegenseitig ein „Fröhliches Weihnachten“, was sich im Laufe des Tages wie ganz von selbst zu einer Art „Running Gag“ entwickelt.
Auf dem Rückweg schauen wir in der Kathedrale vorbei und wollen Wissen, um wie viel Uhr heute eine Messe statt findet.
Merkwürdigerweise hat keiner eine richtige Antwort parat und die zwei Herren scheinen sich da selbst noch nicht so einig zu sein – schade.
Abends sind ich und Janek bei einem guten Freund und seiner Familie zum Essen eingeladen.
Schon auf dem Weg zu seinem Haus, hören wir es von überall her knallen, Feuerwerke gibt es hier das ganze Jahr über, allerdings erzeugen sie leider meistens nur Krach und viel Rauch.
Fast aus jedem Haus dröhnt Musik und viele Menschen tanzen bereits vor ihren Häusern und auf den Straßen.
Plötzlich ertönt eine laute Sirene in der Straße vor uns und als wir in sie einbiegen, kommt uns ein großer Wagen entgegen, der mit bunten, flimmernden Licht die dunkle Straße zum Erleuchten bringt.
Ein Weihnachtsmann tanzt zu Salsa Musik sehr ausgelassen auf dem Wagen herum, seine Helfer schmeißen Süßigkeiten, Caramelos herunter, welch gierig von den vielen Kindern aufgesammelt werden.
Ab und zu spricht er ein kräftiges „Hohoho“ in sein Megafon und tanzt dann auf künstlichem Schnee weiter.
Ich finde diesen Anblick merkwürdig und amüsant zugleich und als wir Josés Haus erreichen steht die ganze Familie auf der Straße, um die weihnachtliche Attraktion zu begutachten.
Sehr herzlich werden wir begrüßt und in das winzige Haus gebeten. Wir setzen uns ins Vor- und gleichzeitig auch Wohnzimmer. Ein Mini-Plastikweihnachtsbaum, der unter dem vielen kitschigen Schmuck fast zu ächzten scheint, steht neben dem laufenden Fernseher.
Sofort bekommen wir das erste Tonia ( Bier) in die Hand gedrückt und überreichen unsere Geschenke, die dankbar entgegen genommen werden.
Abwechselnd schaut man auf den Fernseher, dann der kleinen Tochter beim auspacken einer Plastikpuppe zu und schließlich wird geredet.
Wie Weihnachten in Deutschland so ist? Was man dort isst und ob es jetzt kalt sei...?
Dann kommt Joses Vater herein und er sieht aus wie ein waschechter Nordnicaraguaner, wie er so in der Tür steht, mit seinen fellbezogenen Cowboystiefeln, einer engen Jeacns, die von einem breiten Ledergürtel, mit einer noch viel breiten Gürtelschnalle zusammengehalten wird. Natürlich der Hut, der darf nicht fehlen.
Wir bekommen das nächste Bier angeboten und sollen nun die Verwandten die Straße weiter runter begrüßen.
Diese Verwandten sitzen bei ohrenbetäubender lauter Musik im Wohnzimmer und bieten uns als erstes Mal einen ordentlichen Rum an. Als ich der Tante „Frohe Weihnachten“ zuschreie, sieht sie mich entsetzt an und sagt „Jetzt doch noch nicht, erst um zwölf.“
Ich blicke da nicht so ganz durch, weil die Nicas sich schon seit knapp einem Monat „Frohe Weihnachten“ wünschen und nippe verwirrt an meinem Flor de Cana.
Nach einem Pläuschchen, sollen wir dann wieder gehen, das Essen sei nun fertig und man befiehlt uns regelrecht, dass wir uns an den einzigen Tisch setzen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, da der Tisch super klein ist und es nur drei Stühle gibt. Als ich jedoch meinen Platz anbiete, werde ich wild gestikulieren wieder auf den Stuhl gedrängt, schließlich sollen ich und Janek das stundenlang zubereitete Festessen probieren und natürlich, dazu müsse man ein weiteres Tonia trinken.
Es gibt selbstgebackenes Brot und ….relleno, eine Art fester Eintopf mit Hühnchen, Gemüse, Rosinen, Oliven und Reis gibt es. Es schmeckt alles recht süß, aber gut.
Doch dann, dann bekommen wir Chicharron aufgezwungen, - gebackenen Schweinehaut.
Als eher Fleisch ablehnende Person, erscheint mir diese Anforderung zu hoch, doch ich komme nicht drumherum und ehe ich mich versehe, wird mir ein winziges Stück vor den Mund gehalten.
Es schmeckt salzig und fettig. Ich spüle alles mit einem Schluck Bier herunter und bekomme direkt die nächste Portion aufgeladen. Doch das wird mir zu viel und so schwindele ich, mein Magen sei von der Reise noch zu sehr mitgenommen und frage die Tochter, ob sie sich nicht gerne und unbedingt auf diesen Stuhl setzen würde. Sie freut sich und ich bin gerettet.
Sichtbar stolz steht die Mutter vor dem Essen und ich und Janek loben es auf nicaraguanische Weise sehr überschwänglich.
Wir verabschieden uns schließlich mit der Entschuldigung, dass wir nun im „Tequilas“, eine der zwei Discos in Matagalpa,mit Freunden weiterfeiern müssen.
Angeblich feiere ganz Matagalpa an diesem Abend im Tequilas und wir sind verblüfft, als wir um halb zwölf, die Ersten Gäste sind.
Normalerweise schließen die Discos in Matagalpa schon gegen Eins. Da stehen wir also, zu sechst, alleine mit den Sicherheitsbeamten, auf einer leeren Tanzfläche in der Disco. Nur das flimmernde Licht tanzt bereits zu der Musik.
Wir wünschen uns zum tausendsten Mal „Ein fröhliches Weihnachtsfest“ und dann dauert es auch gar nicht mehr lange, da betreten bereits die nächsten Gäste die Disco.
Mit den verdunkelten, untertage Discotheken, hat das Tequilas wenig zu tun. Man könnte es mit einer großen Terrasse beschreiben, die von Palmen umsäumt ist.
Die Mode, in der man hier in einer Disco aufkreuzt, ist ebenfalls in keinster Weise mit den Gewohnheiten in Deutschland vergleichbar.
Mit weniger als mindestens 8cm Absatz betritt fast keine Frau die Tanzfläche und sehr oft frage ich mich, ob diese Zentimeter dafür vom Saum ihrer super bunten Kleider und Röcke abgenommen wurden.
Mit der Zeit füllt sich die Disco, die Musik ist laut und die Tanzfläche voll.
Gegen halb fünf geben wir allerdings erschöpft auf und beschließen, dass wir die Geburt Christi nun hiermit reichlich gefeiert haben.
Wir nehmen also wieder zu NEUNT ein Taxi (ja das geht), was uns nach Hause kutschiert.
Müde, verwirrt, aber glücklich falle ich schließlich ins Bett.