Photos made by Wolfgang Bier
Sonntag, 28. November 2010
Die Fritanga
Eine Fritanga kann man vielleicht mit einer gewöhnlichen „Pommesbude“ in
Deutschland vergleichen. Naja, vielleicht....
Fritangas findet man in Nicaragua an fast jeder Ecke und in fast jeder
Seitenstraße.
Dass man nach wenigen Metern auf eine Fritanga stoßen wird kann man bereits am
Geruch erahnen. Denn das Geheimrezept einer Fritanga lautet: „Frittiere
alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist!“
Dementsprechend verhalten sich dann auch die Luftbedingungen in der Fritanga und in ihrer Umgebung.
Schon vor dem Eintreten wird man von einer gewaltigen Rauchwolke begrüßt,
frittiert wird nämlich meistens draußen vor dem Laden auf der Straße.
Befindet man sich dann in dem laden, fällt das Atmen schwerer und auch
die Sicht erscheint ein wenig unklar.
Fritangas werden von den Nicas gerne besucht und so drängen sich häufig viel
zu viele Menschen in den kleinen Räumen, an den wenigen Plastiktischen.
Eine Speisekarte gibt es nicht; man fragt nach, was es denn gerade so geben
könnte. Und eigentlich ist die Antwort immer gleich:
Gallo Pinto (Reis mit Bohnen, frittiert), alle möglichen Sorten und Arten von
Fleisch (natürlich frittiert), Platano (frittierte Banane, auch als Chips
möglich), Enchiladas, manchmal auch Tacos und als Beilage Tortilla und Salat.
Der Salat dient allerdings mehr als Dekoration und besteht ausschließlich aus
Kohl. Über die ganze Sache kippen sich die Nicas gerne haufenweise scharfes
Chilly. Zum Trinken gibt es furchtbar süße Säfte, Bier oder Cola.
Nach dem Essen bezahlt man meistens am Ausgang, wo eine Person sitzt, die einem
dann spontan den Preis für das Mahl nennt.
Ist man wieder auf der Straße, oder besser gesagt einige Straßen von der
Fritanga entfernt, merkt man erst, dass man in der Fritanga glatt selbst
mit-frittiert wurde und fühlt sich wie ein gegrilltes Hühnchen.
Deutschland vergleichen. Naja, vielleicht....
Fritangas findet man in Nicaragua an fast jeder Ecke und in fast jeder
Seitenstraße.
Dass man nach wenigen Metern auf eine Fritanga stoßen wird kann man bereits am
Geruch erahnen. Denn das Geheimrezept einer Fritanga lautet: „Frittiere
alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist!“
Dementsprechend verhalten sich dann auch die Luftbedingungen in der Fritanga und in ihrer Umgebung.
Schon vor dem Eintreten wird man von einer gewaltigen Rauchwolke begrüßt,
frittiert wird nämlich meistens draußen vor dem Laden auf der Straße.
Befindet man sich dann in dem laden, fällt das Atmen schwerer und auch
die Sicht erscheint ein wenig unklar.
Fritangas werden von den Nicas gerne besucht und so drängen sich häufig viel
zu viele Menschen in den kleinen Räumen, an den wenigen Plastiktischen.
Eine Speisekarte gibt es nicht; man fragt nach, was es denn gerade so geben
könnte. Und eigentlich ist die Antwort immer gleich:
Gallo Pinto (Reis mit Bohnen, frittiert), alle möglichen Sorten und Arten von
Fleisch (natürlich frittiert), Platano (frittierte Banane, auch als Chips
möglich), Enchiladas, manchmal auch Tacos und als Beilage Tortilla und Salat.
Der Salat dient allerdings mehr als Dekoration und besteht ausschließlich aus
Kohl. Über die ganze Sache kippen sich die Nicas gerne haufenweise scharfes
Chilly. Zum Trinken gibt es furchtbar süße Säfte, Bier oder Cola.
Nach dem Essen bezahlt man meistens am Ausgang, wo eine Person sitzt, die einem
dann spontan den Preis für das Mahl nennt.
Ist man wieder auf der Straße, oder besser gesagt einige Straßen von der
Fritanga entfernt, merkt man erst, dass man in der Fritanga glatt selbst
mit-frittiert wurde und fühlt sich wie ein gegrilltes Hühnchen.
Dienstag, 23. November 2010
Ausflug in die Wupperberge
Nein, in Deutschland war ich letztes Wochenende nicht. Aber dafür in Jinotega – genau, in der Partnerstadt Solingens.
Das kleine Städtchen im Norden Nicaraguas, ist gerade einmal eine gute Busstunde von Matagalpa aus entfernt, insofern die Straßen-, Bus- und Wetterverhältnisse stimmen.
Wir brauchen an diesem Samstag etwas länger. Der Bus ist wie immer überfüllt, aber dafür bekommen wir eine kleine Vorführung, von zwei eher mäßig lustigen Clowns, geboten. Ein weiterer Mann hält, in dem wirklich prall gefüllten Bus (ich frage mich immer noch wie er das gemacht hat) einen Vortrag über Würmer und Parasiten und verkauft Medikamente, die angeblich dagegen helfen sollen. Der Bus kutschiert uns durch die Berge, an einsamen Hütten vorbei, vorbei an Kuhherden, die von ihren Besitzern über die Straße gescheucht werden.
Irgendwann kommen wir dann doch an, in Jinotega, und zwar an einem sehr kleinen Busbahnhof. Genauer gesagt, werden wir an einem staubigen Platz raus gelassen, auf dem sich lediglich ein Kiosk befindet.
Unser Plan für den Tag: Den Cerro de la cruz (Berg des Kreuzes) besteigen.
Wir machen uns also auf und laufen durch die engen Straßen, in Richtung Friedhof.
Mir kommt alles recht klein und geordnet vor. Außerdem ist es, verglichen mit der Innenstadt Matagalpas, sehr ruhig.
Was am meisten auffällt, ist der Klimaunterschied. Jinotega liegt nördlicher und noch weiter in den Bergen als Matagalpa. Das spüre ich deutlich und rede mir ein, in meinem T-shirt und der kurzen Hose zu frieren.
Warm wird uns aber spätestens, als wir über den wunderschöner Friedhof laufen, der am Hang des Berges liegt und bunt geschmückt ist. Die Gräber sind angemalt, überall hängen bunte Girlanden und Plastikblumen in allen Farben. Viele Gräber sind von einer bunten Mauer oder einem angemalten Zaun umgeben, auf einigen ist sogar ein kleines Häuschen erbaut.
Die Friedhöfe hier, sind generell pompöser, größer, bunter und voller. Aber um diese Zeit sind sie besonders bunt, denn am 02.11 hat man in Nicaragua Allerheiligen gefeiert. Das war eine große Sache hier, die Angehörigen der Toten haben an diesem Tag, die Gräber angemalt, sie mit Blumen oder anderen Verzierungen dekoriert. Die können wir an diesem Samstag also immer noch bewundern.
Es dauert ein bisschen, bis wir den richtigen Weg hoch zum Kreuz finden. Wir versuchen uns durchs Dickicht zu schlagen, beschließen, dann den Leuten mit der Manschette hinterher zu laufen.
Die Natur ist wunderschön, alles ist grün, Schmetterlinge begleiten uns und es ist nur schwer vorzustellen, dass die ganze Landschaft in einigen Wochen braun werden wird.
Die Steigung wird mit der Zeit immer stärker, einen richtigen Weg gibt es nicht und an manchen Stellen sind wagemutige Klettermanöver gefragt.
Nach ca 45 Minuten, kommen wir geschwitzt, aber glücklich oben an und werden belohnt, mit einer gigantischen Aussicht!
Ausblick auf Jinotega |
Zur Linken, ist ein großer See zu sehen, der Lago de Apanas, dessen Wasser in der Sonne glitzert und auf dem sich mehrere kleine Inselchen befinden.
El Lago de Apanas |
Nachdem wir genug Aussicht, Sonne und Kraft getankt haben, steigen wir wieder ab und begegnen auf dem Rückweg einigen Kühen, die sich faszinierender weise durch das Dickicht schlagen.
Unten angekommen, schlendern wir durch die Stadt zurück zum Busbahnhof. Kehren noch schnell auf ein Pithaya (Drachenfrucht) Eis ein und beobachten ein altes Ehepaar, was auf Campingstühlen neben ihrem sehr großen Auto, in ihrem Wohnzimmer sitzt (Ja, Autos werden hier oft im Wohnzimmer geparkt) und durch die Gitterstäbe der Fenster, die Menschen auf der Straße beobachtet.
Sonntag, 7. November 2010
Einblick in die nicaraguanische Sprache - Lektion I: Gestik, Mimik und verbale Ausdrucksmöglichkeiten
Woraus setzt sich eigentlich eine Sprache zusammen? Was macht eine Sprache aus und wodurch unterscheidet sich eine Sprache von einer anderen?
Natürlich, eine Sprache besteht aus Wörtern, sie besteht aus zahlreichen Vokabeln, einer Grammatik und aus einer Aussprache, die sich häufig von der eigentlichen Schreibweise unterscheidet.
Eine Sprache besteht also aus Regeln, Regeln die festgelegt sind und die man in Büchern nach schlagen kann.
Zu einer Sprache gehören aber auch Umgangsweisen, Angewohnheiten, die auf den ersten Blick weniger transparent sind, die man in keinem Sprachunterricht lernen würde und die auch in keinem Lexikon zu finden sind.
Damit meine ich zum Beispiel die Körpersprache; Mimik, Gestik, Verhaltensweisen, Ausdrücke oder Ausrufe, die von Sprache zu Sprache variieren und die man meistens nur im Umgang oder im Gebrauch mit ihr, erfährt.
Die nicraguanische Sprache, ist scheinbar voll von Ausdrucksweisen und Eigenarten, die die Theatralik der Sprache anheben und in den verschiedensten Situationen, unterschiedlich unterstreichen.
Hier ein paar typisch nicaraguanische Ausdrucksvorlieben, Gestiken und Angewohnheiten, die man täglich auf der Straße und in Gesprächen beobachten kann:
1.Den Erfolg des Verstehens eines Sachzusammenhangs, oder auch das Einleuchten einer Erklärung, betonen die Nicaraguaner gerne durch ein kräftiges und sehr lang gezogenes „Ahhhhh- ya“. Das ya, kann als Variation auch wie dscha ausgesprochen werden, ebenso kann man es mehrmals hintereinander wiederholen.
Beispiel: „Ahhhhh ya- (kurze Pause) ya, ya“.
2.Wenn man ausdrücken, beziehungsweise unterstreichen möchte, wie schlimm, wie tragisch oder auch wie absurd etwas ist, dann macht man diese Tragik zusätzlich durch eine Handbewegung deutlich.
Hierbei berühren sich Daumen und Mittelfinger jeweils mit den Fingerkuppen. Die Hand wird stark geschüttelt - der Arm bleibt jedoch ruhig, die Bewegung kommt lediglich aus dem Handgelenk - sodass der Zeigefinger auf den Mittelfinger schlägt und durch das Aufeinander schlagen und Schlackern der Finger, ein Geräusch erzeugt wird. Besonders effektiv wirkt diese Bewegung bei Ringträgern.
Zusätzlich zu dieser Bewegung, ruft man laut und sehr pathetisch „ayayayayayayay!“ , das Gesicht wird dabei gerne verzogen.
Vorsicht beim Nachmachen: Die Bewegung erscheint wenig gesund und kann schmerzhaft sein, wenn man krampfhaft versucht, Geräusche mit den Fingern zu erzeugen.
3.Ein höfliches „Wie Bitte?“ oder meinetwegen auch ein „Was?“, kennen die Nicaraguaner so gut wie nicht. Wenn sie etwas nicht verstehen, beziehungsweise die Person nicht verstehen, mit der sie reden, dann signalisieren sie ihr Unverständnis durch ein ziemlich lang gezogenes „Hääää?“, oder auch durch ein „Haaaa?“; meistens in einer schrillen und prägnanten Tonart.
(Kurze Anmerkung hierbei: Ich stelle geradezu mit Entsetzen fest, dass auch ich schon diese Angewohnheit aufgenommen habe und entschuldige mich hiermit schon einmal im Vorfeld für ihren Gebrauch.)
4.Im Restaurant oder in der Bar wird die Bedienung mit einem Zischen und einer Handbewegung gerufen, die allerdings genau das Gegenteil des Verlangens ausdrückt.
Dazu streckt man den Arm nach vorne aus und winkt mit der Hand, die auf dem Boden zeigt, mehrmals hin und her. Die Handbewegung, geht dabei allerdings weg von der winkenden Person - es ist also eher ein Wegwinken, als ein Heranwinken, was ich am Anfang sehr verwirrend fand. Verbal, macht man sich zu der Bewegung durch ein Zischeln „ksksksksks“, deutlich und unterstreicht sein Anliegen auch gerne mal durch einen Ausruf wie „Eh muchacho!“.
Wenn man jemanden auf der Straße trifft oder generell die Aufmerksamkeit einer anderen
Person erlangen möchte, benutzt man dieses Zischeln ebenfalls. Mit Vorliebe wird
es außerdem von Männern gebraucht, die den Frauen auf der Straße gerne mal
hinterher zischeln.
5.Das Tempo, in dem sich die meisten Nicaraguaner durch die Straßen bewegen, kann man noch nicht einmal mit deutschem „Schlendertempo“ vergleichen, vielleicht mit der Hälfte seiner Geschwindigkeit. Grundsätzlich weicht einem keiner aus und auch die Autos, Motorräder, Fahrräder oder Pferde, haben immer Vorfahrt. Straßenüberquerungen, sind bisweilen mit Risiken eng verbunden. Sein Stückchen Freiheit auf der Straße oder auf dem engen Bürgersteig, falls es einen gibt, muss man sich stets erkämpfen und den ganzen Weg über hartnäckig verteidigen..
6.Trifft man Bekanntschaft auf der Straße, grüßt man sich stets mit einem sehr tief und lang gesprochenen „Adiiioooós“, dabei liegt die Betonung auf dem letzten O. Als Antwort darauf, kann man ein zweites Adiooooós entgegnen, oder aber auch mit einem
„Que honda, prix“ kontern, auf deutsch, was geht Kumpel.
Männer benutzen diese Art Adios auch gerne, um Frauen auf der Straße anzusprechen und leider übersetzen sie dieses Wort (wörtlich) ins Englische, was da goodbye wäre., sodass einem häufig ein eigenartig ausgesprochenes „goodbye“ hinterher gerufen wird.
7.Möchte man seinem Gesprächspartner, das Gegenteil seines Statements klar machen und sein eigenes bestärken, würde man sich in der deutschen Sprache, wahrscheinlich auf ein „Oh doch“, oder „Aber ja“ beziehen. In Nicaragua verweist man in diesem Falle auf den Ausdruck „Uhhhh si!“. Das Uhhhhh wird dabei sehr hoch, sehr lang und furchtbar spitz ausgesprochen. Wichtig ist, dass man mit der Stimme deutlich eine oder auch mehrere Tonarten höher geht.
Natürlich, eine Sprache besteht aus Wörtern, sie besteht aus zahlreichen Vokabeln, einer Grammatik und aus einer Aussprache, die sich häufig von der eigentlichen Schreibweise unterscheidet.
Eine Sprache besteht also aus Regeln, Regeln die festgelegt sind und die man in Büchern nach schlagen kann.
Zu einer Sprache gehören aber auch Umgangsweisen, Angewohnheiten, die auf den ersten Blick weniger transparent sind, die man in keinem Sprachunterricht lernen würde und die auch in keinem Lexikon zu finden sind.
Damit meine ich zum Beispiel die Körpersprache; Mimik, Gestik, Verhaltensweisen, Ausdrücke oder Ausrufe, die von Sprache zu Sprache variieren und die man meistens nur im Umgang oder im Gebrauch mit ihr, erfährt.
Die nicraguanische Sprache, ist scheinbar voll von Ausdrucksweisen und Eigenarten, die die Theatralik der Sprache anheben und in den verschiedensten Situationen, unterschiedlich unterstreichen.
Hier ein paar typisch nicaraguanische Ausdrucksvorlieben, Gestiken und Angewohnheiten, die man täglich auf der Straße und in Gesprächen beobachten kann:
1.Den Erfolg des Verstehens eines Sachzusammenhangs, oder auch das Einleuchten einer Erklärung, betonen die Nicaraguaner gerne durch ein kräftiges und sehr lang gezogenes „Ahhhhh- ya“. Das ya, kann als Variation auch wie dscha ausgesprochen werden, ebenso kann man es mehrmals hintereinander wiederholen.
Beispiel: „Ahhhhh ya- (kurze Pause) ya, ya“.
2.Wenn man ausdrücken, beziehungsweise unterstreichen möchte, wie schlimm, wie tragisch oder auch wie absurd etwas ist, dann macht man diese Tragik zusätzlich durch eine Handbewegung deutlich.
Hierbei berühren sich Daumen und Mittelfinger jeweils mit den Fingerkuppen. Die Hand wird stark geschüttelt - der Arm bleibt jedoch ruhig, die Bewegung kommt lediglich aus dem Handgelenk - sodass der Zeigefinger auf den Mittelfinger schlägt und durch das Aufeinander schlagen und Schlackern der Finger, ein Geräusch erzeugt wird. Besonders effektiv wirkt diese Bewegung bei Ringträgern.
Zusätzlich zu dieser Bewegung, ruft man laut und sehr pathetisch „ayayayayayayay!“ , das Gesicht wird dabei gerne verzogen.
Vorsicht beim Nachmachen: Die Bewegung erscheint wenig gesund und kann schmerzhaft sein, wenn man krampfhaft versucht, Geräusche mit den Fingern zu erzeugen.
3.Ein höfliches „Wie Bitte?“ oder meinetwegen auch ein „Was?“, kennen die Nicaraguaner so gut wie nicht. Wenn sie etwas nicht verstehen, beziehungsweise die Person nicht verstehen, mit der sie reden, dann signalisieren sie ihr Unverständnis durch ein ziemlich lang gezogenes „Hääää?“, oder auch durch ein „Haaaa?“; meistens in einer schrillen und prägnanten Tonart.
(Kurze Anmerkung hierbei: Ich stelle geradezu mit Entsetzen fest, dass auch ich schon diese Angewohnheit aufgenommen habe und entschuldige mich hiermit schon einmal im Vorfeld für ihren Gebrauch.)
4.Im Restaurant oder in der Bar wird die Bedienung mit einem Zischen und einer Handbewegung gerufen, die allerdings genau das Gegenteil des Verlangens ausdrückt.
Dazu streckt man den Arm nach vorne aus und winkt mit der Hand, die auf dem Boden zeigt, mehrmals hin und her. Die Handbewegung, geht dabei allerdings weg von der winkenden Person - es ist also eher ein Wegwinken, als ein Heranwinken, was ich am Anfang sehr verwirrend fand. Verbal, macht man sich zu der Bewegung durch ein Zischeln „ksksksksks“, deutlich und unterstreicht sein Anliegen auch gerne mal durch einen Ausruf wie „Eh muchacho!“.
Wenn man jemanden auf der Straße trifft oder generell die Aufmerksamkeit einer anderen
Person erlangen möchte, benutzt man dieses Zischeln ebenfalls. Mit Vorliebe wird
es außerdem von Männern gebraucht, die den Frauen auf der Straße gerne mal
hinterher zischeln.
5.Das Tempo, in dem sich die meisten Nicaraguaner durch die Straßen bewegen, kann man noch nicht einmal mit deutschem „Schlendertempo“ vergleichen, vielleicht mit der Hälfte seiner Geschwindigkeit. Grundsätzlich weicht einem keiner aus und auch die Autos, Motorräder, Fahrräder oder Pferde, haben immer Vorfahrt. Straßenüberquerungen, sind bisweilen mit Risiken eng verbunden. Sein Stückchen Freiheit auf der Straße oder auf dem engen Bürgersteig, falls es einen gibt, muss man sich stets erkämpfen und den ganzen Weg über hartnäckig verteidigen..
6.Trifft man Bekanntschaft auf der Straße, grüßt man sich stets mit einem sehr tief und lang gesprochenen „Adiiioooós“, dabei liegt die Betonung auf dem letzten O. Als Antwort darauf, kann man ein zweites Adiooooós entgegnen, oder aber auch mit einem
„Que honda, prix“ kontern, auf deutsch, was geht Kumpel.
Männer benutzen diese Art Adios auch gerne, um Frauen auf der Straße anzusprechen und leider übersetzen sie dieses Wort (wörtlich) ins Englische, was da goodbye wäre., sodass einem häufig ein eigenartig ausgesprochenes „goodbye“ hinterher gerufen wird.
7.Möchte man seinem Gesprächspartner, das Gegenteil seines Statements klar machen und sein eigenes bestärken, würde man sich in der deutschen Sprache, wahrscheinlich auf ein „Oh doch“, oder „Aber ja“ beziehen. In Nicaragua verweist man in diesem Falle auf den Ausdruck „Uhhhh si!“. Das Uhhhhh wird dabei sehr hoch, sehr lang und furchtbar spitz ausgesprochen. Wichtig ist, dass man mit der Stimme deutlich eine oder auch mehrere Tonarten höher geht.
Sonntag, 31. Oktober 2010
Der erste Rundbrief
Ich weiß nicht genau wo ich diesen ersten Rundbrief, der euch über mein Projekt und meine Arbeit
hier an der Escuela Pública Wuppertal informieren soll, anfangen und enden lassen soll.
Ich werde es aber dennoch versuchen, euch die Schule und meine täglichen Aufgaben ein wenig
näher zu bringen.
Die Escuela Pública Wuppertal, in der ich für ein Jahr lang als Sport- und Englischlehrerin arbeite,
ist eine öffentliche Grundschule. Sie liegt am Rande Matagalpas, in einem recht armen Viertel, nur
wenige Meter hinter dem „Río Grande“, dem Fluss, der sich durch die Stadt schlängelt.
Die Schule ist klein, sie besteht gerade mal aus sechs Klassenzimmern und einem winzigen Büro.
Seit neustem gibt es nun eine Mini-Bibliothek, auf die die Schule sehr stolz ist und die den Kindern
die Möglichkeit bietet, an Bücher zu gelangen. Wie fast alles, was sich in der Schule befindet,
wurde auch diese Bibliothek durch Spenden finanziert. Die allgemeine Ausstattung der Schule ist
schlecht, für den Sportunterricht stehen beispielsweise lediglich zwei Bälle zur Verfügung, bei
denen die Luft schon fast raus ist.
[... den ganzen Rundbrief lesen]
hier an der Escuela Pública Wuppertal informieren soll, anfangen und enden lassen soll.
Ich werde es aber dennoch versuchen, euch die Schule und meine täglichen Aufgaben ein wenig
näher zu bringen.
Die Escuela Pública Wuppertal, in der ich für ein Jahr lang als Sport- und Englischlehrerin arbeite,
ist eine öffentliche Grundschule. Sie liegt am Rande Matagalpas, in einem recht armen Viertel, nur
wenige Meter hinter dem „Río Grande“, dem Fluss, der sich durch die Stadt schlängelt.
Die Schule ist klein, sie besteht gerade mal aus sechs Klassenzimmern und einem winzigen Büro.
Seit neustem gibt es nun eine Mini-Bibliothek, auf die die Schule sehr stolz ist und die den Kindern
die Möglichkeit bietet, an Bücher zu gelangen. Wie fast alles, was sich in der Schule befindet,
wurde auch diese Bibliothek durch Spenden finanziert. Die allgemeine Ausstattung der Schule ist
schlecht, für den Sportunterricht stehen beispielsweise lediglich zwei Bälle zur Verfügung, bei
denen die Luft schon fast raus ist.
[... den ganzen Rundbrief lesen]
Samstag, 9. Oktober 2010
Eine ereignisreiche Woche
Die vergangene Schulwoche war leider geprägt durch verschiedene, mehr oder weniger „tragische Ereignisse“, die sich nur so aneinander reihten und die ganze Schule, so wie mich auch, in Aufregung brachten.
Am Montag morgen, ich sitze gerade in der 2a und helfe in der „Clase de Lengua y Literatura“ mit, kommt plötzlich die Direktorin herein und erzählt, dass die Mutter von drei SchülernInnen der Schule, in der Nacht an Herzversagen gestorben sei.
Die betroffene Familie ist sehr arm, einen Vater gibt es nicht, von nun an werden wohl die großen Geschwister auf die kleineren Kinder aufpassen, vielleicht auch noch andere Verwandte.
Die Direktorin bittet die Lehrer und Kinder der Schule, etwas Geld für die Familie zu spenden. Insgesamt 120 Cordobar bekommen wir zusammen, umgerechnet weniger als 5 Euro.
Die Schule endet an diesem Tag bereits um elf Uhr, danach machen sich alle Lehrerinnen auf, um der betroffenen Familie das Geld zu überreichen.
Wir laufen also los, durchs Barrio. Die Lehrerinnen schützen sich mit Sonnenschirmen oder Heften vor der Hitze und unterhalten sich angeregt über den Morgen.
Nach nur wenigen Minuten kommen wir an der Hütte an, in der die Familie wohnt. Eine stämmige Frau steht in der Tür, Kinder springen umher, ich erkenne die drei Kinder aus der Schule.
Dann werden wir in die kleine Hütte hineingebeten. Erst beim Eintreten stelle ich entsetzt fest, dass in der Mitte des Raumes ein Sarg steht, in dem die verstorbene Frau liegt. Er ist mit Blumen und Kerzen geschmückt und nimmt viel Platz ein. Nacheinander treten die Lehrerinnen an den Sarg und nehmen danach auf den Plastikstühlen Platz, die im Zimmer verteilt sind.
Damit habe ich nicht gerechnet, als es hieß, dass wir der Familie im Namen der Schule das Geld überreichen würden. Ich bin geschockt und irgendwie wird mir die Situation ein bisschen viel. Es ist heiß, die Hütte ist überfüllt und ich fühle mich fehl am Platz, habe ich weder die Verstorbene gekannt noch ihre Familienangehörigen. Außer die drei Kinder, eher flüchtig aus dem Unterricht.
Ich stehe ein bisschen ratlos in der Tür herum und lasse alle vorgehen, die herein wollen. Dann ist kein Platzt mehr in dem engen Raum und ich setze mich mit ein paar anderen Lehrerinnen nach draußen, vor die Hütte. Die zwei Mädchen meiner Schule spielen mit anderen Kindern Ball, der Junge sitzt auf dem Bürgersteig und weint. Die Lehrerinnen neben mir unterhalten sich über ihren Unterricht, eine Frau kommt heraus und bietet uns rote Limonade und Schokokekse an. So sitzen wir dort für eine Weile und mir kommt es vor wie eine ganze Ewigkeit. Die Sonne scheint stark, die Kinder kaufen sich ein Eis beim Eisverkäufer, der mit seiner Karre vorbei kommt und spielen dann weiter. Ich rede ein bisschen mit der kleinen Tochter der stellvertretenden Direktorin und nippe an dem furchtbar süßen Getränk.
Drinnen scheinen sie sich angeregt zu unterhalten, ich möchte aber lieber nicht herein gehen. Zwei Frauen, die große Körbe auf dem Kopf balancieren kommen vorbei und gucken neugierig in die Hütte. Ob hier jemand gestorben sei, fragen sie. Ja. Dann gehen sie für ein Moment hinein, kommen wieder heraus und machen sich wieder auf den Weg, mit ihren Körben
Mir kommt das Ganze sehr komisch vor und ich frage mich, wie es generell gehandhabt wird, wenn in Nicaragua jemand stirbt
Endlich kommen die anderen Lehrerinnen aus der Hütte heraus, gemeinsam machen wir uns auf und treten den Rückweg an.
Am Dienstag habe ich die 1a in „Educacion Fisica“, in Sport unterrichtet, diese Klasse zum ersten Mal ganz alleine. Wie immer haben sie sich zu Anfang brav in zwei Reihen aufgestellt, Mädchen und Jungen in getrennt, um dann die Aufwärmübungen, die ich vormache nach zu machen. Sie haben sich wirklich gut benommen und auch die Armlänge Abstand zueinander eingehalten. Darauf, wird hier im Sportunterricht viel Wert gelegt.
Nach den Übungen haben wir dann einen kleinen Wettkampf gemacht, so ähnlich wie Staffellauf, aber mit Hüpfen, Rückwärtslaufen und anderen lustigen Bewegungen. Das ging auch noch relativ gut, mal abgesehen von den kleinen Streitereien, wer in der Reihe vorne stehen darf etc.
Aber, dann...dann habe ich ihnen das Spiel „Ketten-fangen“ erklärt, bei dem sich zwei Kinder an den Händen halten und versuchen die anderen Kinder zu fangen. Ist ein weiteres Kind gefangen, schließt es sich der Kette an und gemeinsam müssen die anderen Kinder gefangen werden. Hierbei liegt die Betonung auf GEMEINSAM.
Das schienen die kleinen ninos wohl irgendwie überhört zu haben, denn ihnen ging es nur darum wild herum zu laufen, irgendjemanden zu fangen und dann ganz feste zu drücken.
Dass es eher unklug ist, jeweils in verschiedene Richtungen zu laufen, wenn man sich gemeinsam an den Händen hält, hat sie anscheint auch nicht weiter gestört, und so fand ich mich nach nur wenigen Minuten in einem Haufen von schreienden Kindern wieder. Die Mädchen hatten sich alle in einer Ecke versteckt, die Jungens liefen ineinander und durcheinander, sodass ich nach zehn Minuten fünf heulende Kinder und drei Verletzte zu beruhigen hatte, während die anderen weiterhin vergnügt hin und her hopsten und sichtlich die wenige Zeit, in der sie ungestört rennen dürfen, genossen.
Nachdem ich das Kind mit dem roten Auge (ich frage mich wie er das geschafft hat) ins Büro gebracht hatte und die zwei, die mit dem Kopf zusammen gestoßen waren, sich wieder einigermaßen beruhigt hatten, habe ich das Spiel dann abgebrochen und die Kinder sich wieder in den zwei Reihen aufstellen lassen. Sie waren ein wenig enttäuscht, hatte es ihnen doch so viel Spaß gemacht herum zu toben.
Aber auch ich bin ein wenig enttäuscht. Ich hatte Ketten-fangen immer als ein „nettes Laufspielchen“ in Erinnerungen und kann mich dabei an Verletzte nun wirklich nicht erinnern.
Außerdem finde ich es schade, dass die Kinder mit der Freiheit, die ich ihnen damit angeboten habe, nicht umgehen konnten. Ich hoffe sie lernen es mit der Zeit und besonders mehr im Team zu spielen/arbeiten.
Die Sportstunde fand dann noch ein „relativ“ harmonisches Ende und zwar mit den Atemübungen, die hier nach jeder Stunde gemacht werden, bevor die Kinder in einer Reihe wieder in den Klassenraum marschieren.
Als ich am Mittwoch morgen in die Schule kam, war dass kleine Büro stark überfüllt - mit Lehrerinnen, Kindern, Eltern, Großeltern....
Der Freitag verlief „normal“. Keine schlimmen Ereignisse, keine traurigen Neuigkeiten, alles war friedlich und ruhig. Was ich am erstaunlichsten fand war, dass die Ereignisse der Woche überhaupt nicht Thema waren. Keiner hat darüber geredet, keiner schien traurig oder geschafft zu sein. Morgens wurde die Nationalhymne gesungen, dann war Unterricht, danach eine Lehrerbesprechung. Alles lief weiter seine gewohnten Wege, alles funktionierte wie immer. Und auch ich habe wie immer unterrichtet, Dokumente am Computer abgetippt und Reis mit Bohnen an die Kinder verteilt, so wie jeden Tag.
Gerade merke ich, wie anstrengend diese Woche eigentlich war und dass sie mich wohl noch etwas länger beschäftigen wird.
Am Montag morgen, ich sitze gerade in der 2a und helfe in der „Clase de Lengua y Literatura“ mit, kommt plötzlich die Direktorin herein und erzählt, dass die Mutter von drei SchülernInnen der Schule, in der Nacht an Herzversagen gestorben sei.
Die betroffene Familie ist sehr arm, einen Vater gibt es nicht, von nun an werden wohl die großen Geschwister auf die kleineren Kinder aufpassen, vielleicht auch noch andere Verwandte.
Die Direktorin bittet die Lehrer und Kinder der Schule, etwas Geld für die Familie zu spenden. Insgesamt 120 Cordobar bekommen wir zusammen, umgerechnet weniger als 5 Euro.
Die Schule endet an diesem Tag bereits um elf Uhr, danach machen sich alle Lehrerinnen auf, um der betroffenen Familie das Geld zu überreichen.
Wir laufen also los, durchs Barrio. Die Lehrerinnen schützen sich mit Sonnenschirmen oder Heften vor der Hitze und unterhalten sich angeregt über den Morgen.
Nach nur wenigen Minuten kommen wir an der Hütte an, in der die Familie wohnt. Eine stämmige Frau steht in der Tür, Kinder springen umher, ich erkenne die drei Kinder aus der Schule.
Dann werden wir in die kleine Hütte hineingebeten. Erst beim Eintreten stelle ich entsetzt fest, dass in der Mitte des Raumes ein Sarg steht, in dem die verstorbene Frau liegt. Er ist mit Blumen und Kerzen geschmückt und nimmt viel Platz ein. Nacheinander treten die Lehrerinnen an den Sarg und nehmen danach auf den Plastikstühlen Platz, die im Zimmer verteilt sind.
Damit habe ich nicht gerechnet, als es hieß, dass wir der Familie im Namen der Schule das Geld überreichen würden. Ich bin geschockt und irgendwie wird mir die Situation ein bisschen viel. Es ist heiß, die Hütte ist überfüllt und ich fühle mich fehl am Platz, habe ich weder die Verstorbene gekannt noch ihre Familienangehörigen. Außer die drei Kinder, eher flüchtig aus dem Unterricht.
Ich stehe ein bisschen ratlos in der Tür herum und lasse alle vorgehen, die herein wollen. Dann ist kein Platzt mehr in dem engen Raum und ich setze mich mit ein paar anderen Lehrerinnen nach draußen, vor die Hütte. Die zwei Mädchen meiner Schule spielen mit anderen Kindern Ball, der Junge sitzt auf dem Bürgersteig und weint. Die Lehrerinnen neben mir unterhalten sich über ihren Unterricht, eine Frau kommt heraus und bietet uns rote Limonade und Schokokekse an. So sitzen wir dort für eine Weile und mir kommt es vor wie eine ganze Ewigkeit. Die Sonne scheint stark, die Kinder kaufen sich ein Eis beim Eisverkäufer, der mit seiner Karre vorbei kommt und spielen dann weiter. Ich rede ein bisschen mit der kleinen Tochter der stellvertretenden Direktorin und nippe an dem furchtbar süßen Getränk.
Drinnen scheinen sie sich angeregt zu unterhalten, ich möchte aber lieber nicht herein gehen. Zwei Frauen, die große Körbe auf dem Kopf balancieren kommen vorbei und gucken neugierig in die Hütte. Ob hier jemand gestorben sei, fragen sie. Ja. Dann gehen sie für ein Moment hinein, kommen wieder heraus und machen sich wieder auf den Weg, mit ihren Körben
Mir kommt das Ganze sehr komisch vor und ich frage mich, wie es generell gehandhabt wird, wenn in Nicaragua jemand stirbt
Endlich kommen die anderen Lehrerinnen aus der Hütte heraus, gemeinsam machen wir uns auf und treten den Rückweg an.
Am Dienstag habe ich die 1a in „Educacion Fisica“, in Sport unterrichtet, diese Klasse zum ersten Mal ganz alleine. Wie immer haben sie sich zu Anfang brav in zwei Reihen aufgestellt, Mädchen und Jungen in getrennt, um dann die Aufwärmübungen, die ich vormache nach zu machen. Sie haben sich wirklich gut benommen und auch die Armlänge Abstand zueinander eingehalten. Darauf, wird hier im Sportunterricht viel Wert gelegt.
Nach den Übungen haben wir dann einen kleinen Wettkampf gemacht, so ähnlich wie Staffellauf, aber mit Hüpfen, Rückwärtslaufen und anderen lustigen Bewegungen. Das ging auch noch relativ gut, mal abgesehen von den kleinen Streitereien, wer in der Reihe vorne stehen darf etc.
Aber, dann...dann habe ich ihnen das Spiel „Ketten-fangen“ erklärt, bei dem sich zwei Kinder an den Händen halten und versuchen die anderen Kinder zu fangen. Ist ein weiteres Kind gefangen, schließt es sich der Kette an und gemeinsam müssen die anderen Kinder gefangen werden. Hierbei liegt die Betonung auf GEMEINSAM.
Das schienen die kleinen ninos wohl irgendwie überhört zu haben, denn ihnen ging es nur darum wild herum zu laufen, irgendjemanden zu fangen und dann ganz feste zu drücken.
Dass es eher unklug ist, jeweils in verschiedene Richtungen zu laufen, wenn man sich gemeinsam an den Händen hält, hat sie anscheint auch nicht weiter gestört, und so fand ich mich nach nur wenigen Minuten in einem Haufen von schreienden Kindern wieder. Die Mädchen hatten sich alle in einer Ecke versteckt, die Jungens liefen ineinander und durcheinander, sodass ich nach zehn Minuten fünf heulende Kinder und drei Verletzte zu beruhigen hatte, während die anderen weiterhin vergnügt hin und her hopsten und sichtlich die wenige Zeit, in der sie ungestört rennen dürfen, genossen.
Nachdem ich das Kind mit dem roten Auge (ich frage mich wie er das geschafft hat) ins Büro gebracht hatte und die zwei, die mit dem Kopf zusammen gestoßen waren, sich wieder einigermaßen beruhigt hatten, habe ich das Spiel dann abgebrochen und die Kinder sich wieder in den zwei Reihen aufstellen lassen. Sie waren ein wenig enttäuscht, hatte es ihnen doch so viel Spaß gemacht herum zu toben.
Aber auch ich bin ein wenig enttäuscht. Ich hatte Ketten-fangen immer als ein „nettes Laufspielchen“ in Erinnerungen und kann mich dabei an Verletzte nun wirklich nicht erinnern.
Außerdem finde ich es schade, dass die Kinder mit der Freiheit, die ich ihnen damit angeboten habe, nicht umgehen konnten. Ich hoffe sie lernen es mit der Zeit und besonders mehr im Team zu spielen/arbeiten.
Die Sportstunde fand dann noch ein „relativ“ harmonisches Ende und zwar mit den Atemübungen, die hier nach jeder Stunde gemacht werden, bevor die Kinder in einer Reihe wieder in den Klassenraum marschieren.
Als ich am Mittwoch morgen in die Schule kam, war dass kleine Büro stark überfüllt - mit Lehrerinnen, Kindern, Eltern, Großeltern....
Als ich meine Direktorin fragte, was denn passiert sei, fiel sie mir in die Arme und stöhnte, dass es schlimme Probleme für die Schule gebe.
Zur Erklärung: Vor einigen Wochen wurde eine mini-, wirklich eine klitzekleine Bibliothek für die Schüler eingerichtet. Dafür wurde ungefähr ein Viertel eines Klassenzimmers, mit einer Holzwand abgetrennt. In diesen Raum passen gerade mal ein Bücherregal und einige Stühle herein. Der andere Teil des Raumes wird weiterhin als Klassenzimmer genutzt. Obwohl die kleinste Klasse, mit 28 Kindern dort eingezogen ist, ist es dort nun sehr eng und die Kinder müssen sich dicht zusammen drängen, damit alle herein passen.
Von verschiedenen Spendern, hat die Schule bereits einige Bücher für die Bibliothek geschenkt bekommen. Meiner Meinung nach, ist diese Bibliothek eine wirklich gute Sache, denn die meisten Kinder haben, außer in der Schule, noch nie wirklich ein Buch gelesen. Sie haben kein Geld für Bücher oder es wird von ihren Eltern nicht als wichtig angesehen, dass die Kinder lesen. Insgesamt sind Bücher in Nicaragua Mangelware.
Durch die Bibliothek haben die Kinder nun die Möglichkeit, an Bücher zu gelangen, auch wenn sie sie nicht mit nach Hause nehmen dürfen, weil sie sonst verschwinden oder schnell kaputt gehen würden.
Diese Bibliothek hat insgesamt 2000 Cordobar gekostet, umgerechnet weniger als 150 Euro.
Geld, was die Schule aber nicht hat. Um die Bibliothek finanzieren zu können, haben sie neulich von jedem Schüler 10 Cordobar (vielleicht 30 Cent) eingesammelt, hat man ein Geschwisterkind auf der Schule, müssen die Eltern für jedes Kind nur 5 Crodobar zahlen.
Die meisten Kinder haben das Geld auch wirklich mitgebracht, nicht alle. Aber das war klar, denn viele Familien haben wirklich fast gar kein Geld, das weiß meine Direktorin und sie versteht es. Diese Kinder mussten nichts zahlen.
Die Mutter eines Schülers hat sich allerdings so stark darüber aufgeregt, dass die Schule von den Kindern Geld eingesammelt hat, dass sie sich an das Radio und an das nicaraguanische Fernsehen gewandt hat. Dort hat sie sich dann in aller Öffentlichkeit über die Direktorin beschwert und behauptet, dass die ganze Sache illegal sei und dass nun das Bildungsministerium eingeschaltet werden soll.
Nicht nur meine Direktorin, alle waren sehr aufgelöst am Dienstag.
Wie kann jemand, der so etwas tut, nachts gut schlafen? Wo hat diese Frau ihr Herz?, fragte die Subdirektorin immer wieder und plötzlich wurde die ganze Sache zu einem riesigen Thema.
Eltern kamen und versicherten, dass sie auf der Seite der Schule stehen würden und ihre Meinung nun auch in der Presse kundgeben wollen.
Gegen elf Uhr kam dann also das Radio zu uns, in die Schule. Lehrer wurden interviewt, Eltern, Schüler, alles war ein Drama.
„Mi corazón, es gibt viele Probleme...“ stöhnte meine Direktorin immer wieder und an diesem Tag nahm sie mich besonders oft in den Arme, noch mehr als sonst. Sie tat mir Leid, denn sie steckt viel Arbeit in die Schule und kümmert sich wirklich um fast alles, zusammen mit der zweiten Direktorin.
Die Radiofrau wollte alles wissen; wann die Schule gegründet wurde, wie viele Schüler es hier gäbe, wie viele davon Jungs und wie viele Mädchen sein, und die Lehrer, wie viele Lehrer es denn gäbe. Und nein echt, es unterrichtet wirklich nur ein Mann an der Schule? Dann wollte sie wissen wie ich heiße, was ich mache, woher ich komme. Ah, oh, wie interessant, aber mein Nachname wäre nun wirklich zu schwer, Maren reicht völlig für den Bericht.
Fragen über Fragen und immer wieder sprach sie sehr wichtig in ihr kleines Mikrofon herein.
Am Donnerstag, habe ich erfahren, dass ich ab nun an die 2a und die 2b zusammen unterrichten soll. Da stand ich dann also, mit 60 Kindern, bei 30 Grad, mit zwei kaputten Bällen und sehr wenig Platz. Zum Glück, kam mir eine zweite Lehrerin zur Hilfe, sodass alles recht gut verlief.
Als ich dann völlig geschafft ins Büro kam, um die Bälle weg zu bringen und ein bisschen mit meiner Direktorin zu plaudern, stand der Vater einer Viertklässlerin in der Tür und berichtete, dass er seine Tochter nun schon seit ein paar Tagen vermissen würden. Angeblich würde die Polizei nach dem zwölfjährigen Mädchen suchen. Aber bis jetzt ist sie noch nicht wieder aufgetaucht.
Der Freitag verlief „normal“. Keine schlimmen Ereignisse, keine traurigen Neuigkeiten, alles war friedlich und ruhig. Was ich am erstaunlichsten fand war, dass die Ereignisse der Woche überhaupt nicht Thema waren. Keiner hat darüber geredet, keiner schien traurig oder geschafft zu sein. Morgens wurde die Nationalhymne gesungen, dann war Unterricht, danach eine Lehrerbesprechung. Alles lief weiter seine gewohnten Wege, alles funktionierte wie immer. Und auch ich habe wie immer unterrichtet, Dokumente am Computer abgetippt und Reis mit Bohnen an die Kinder verteilt, so wie jeden Tag.
Gerade merke ich, wie anstrengend diese Woche eigentlich war und dass sie mich wohl noch etwas länger beschäftigen wird.
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