Samstag, 15. Januar 2011

On the road

Wie fasst man eine dreiwöchige Reise, vollgestopft mit Erlebnissen und neuen Eindrücken leserfreundlich und gleichzeitig so authentisch wie möglich zusammen?
Eine Frage, vor der ich gerade stehe, beziehungsweise sitze, um die ich mich die ganze Zeit nun schon herum winde und nicht so recht weiß, von welcher Seite aus ich sie angehen soll.
Ich glaube aber, dass es am interessantesten für euch ist, wenn ich euch über einige meiner Eindrücken, über Land und Leute berichte und zwischen durch Bilder sprechen lasse, die häufig so viel mehr sagen können.
Zur Orientierung sei gesagt, dass ich und Janek uns am 4.12, ganz früh morgens aufmachten, um den Bus nach San Salvador zu nehmen.
Von San Salvador aus, sind wir dann am nächsten Morgen nach Guatemala City gefahren, unser Ausgangspunkt für eine Art Rundreise durch Guatemala. Im Norden sind wir dann noch über die Grenze und haben einen einwöchigen Abstechers nach Südmexico, Chiapas gemacht.
Lago de Atitlán (Guatemala)
Aber nun zum spannenderen Teil.....die Eindrücke.

In Guatemala fand ich zum Beispiel sehr auffallend, wie stark noch immer die indigene Kultur sichtbar, auch im Alltag der Leute vertreten ist.
Es heißt, dass noch um die 70% der Bevölkerung Guatemalas Indigen ist, was man alleine schon auf den Straßen deutlich spüren kann.
Die Menschen sind im Verhältnis recht klein, ihre Haut ist dunkler als die des „durchschnittlichen“ Nicaraguaners und zu mindestens die Frauen kleiden sich auch heute noch in den alten Trachten.
Ihre Hemden und Röcke bestehen aus wunderschönen bunten gewebten Stoffen, ihre Kinder transportieren sie auf dem Rücken, ebenfalls mit Stoffen festgebunden und auf dem Kopf werden die Besorgungen, manchmal auch Hühner, Stauden oder ähnliches, in großen Körben balanciert.
Während für die Frauen die Trachten als alltägliche Mode gang und gäbe sind, findet man nur noch selten einen Mann in diesen Stoffen gekleidet. Meistens tragen sie, wie viele Nicas auch, Cowboystiefel, Jeans mit breitem Ledergürtel und einen Hut.
Die Sprache „Maya“, hört man ebenfalls an allen Ecken und sie hat keine, wirklich gar keine Ähnlichkeit mit dem Spanischen. Ich habe mich einmal mit einem Jungen unterhalten, der mir versucht hat einige Wörter auf Maya bei zu bringen (die ich aber in der nächsten Sekunde meistens schon wieder vergessen hatte, weil sie so furchtbar ungewohnt und anders waren) und der mir erzählte, dass er Spanisch erst in der Schule gelernt habe. Untereinander reden die Guates viel Maya und selbst im Radio oder im Fernsehen gibt es sehr viele Programme auf Maya.
Antigua (Guatemala)
Ich finde es gut und bewundernswert, dass sie ihre Kultur so hegen und pflegen, in Nicaragua ist in dieser Hinsicht leider viel verloren gegangen.

Was mir durch die Reise außerdem nochmal klarer geworden ist, ist dass Nicaragua wirklich ein sehr armes Land ist und weit hinter den anderen lateinamerikanischen Ländern liegt.
Ich hatte mich schon so sehr an die Verhältnisse und Umstände hier in Nicaragua gewöhnt, dass ich fast schon ein bisschen geschockt war, als wir nach El Salvador und Guatemala City kamen; und es wirklich richtige Städte waren, mit hohen Häusern, polierten Gebäuden und einem richtigen Infrastruktursystem.
Blick auf Antigua und den Vulkan
Aber nicht nur das, auch im Laufe der Reise habe ich die Verhältnisse immer wieder mit Nicaragua verglichen und zum Beispiel warmes Wasser, asphaltierte Straßen, richtige Häuser und das zum Teil viel breitere Angebot in den Geschäften, als wahren Luxus empfunden.
Gewiss, ist Guatemala kein reiches Land und es gibt auch heute noch viele arme Dörfer auf dem Land, aber die Armut war für mich weniger offensichtlich, als sie in Nicaragua erscheint.
Ich wurde in den ganzen drei Wochen zum Beispiel viel weniger von Straßenkindern angebettelt und auch weniger belästigt, als in Nicaragua.
Janek und ich mussten feststellen, dass die Nicaraguaner schon ein wenig unfreundlich sind im Vergleich; viel undeutlicher und genuschelter reden und einen in der Straße viel viel mehr anmachen. Natürlich, Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel. Wahrscheinlich liegt das aber auch daran, dass die Guatemalteken und gerade auch die Mexicaner bereits viel mehr an „Chelen“, Hellhäutige und Touristen gewöhnt sind; in Nicaragua fällt man als Ausländer immer noch sehr auf.

San Cristobál de las Casas (Mexico)
In Mexico waren wir nur für eine Woche und zwar in Chiapas, dem südlichsten Teil Mexicos, welcher von diesem riesigen Land wohl auch noch am Meisten an Lateinamerika erinnert.
Und trotzdem war es auch wieder auf seine eigene Art und Weise anders. Es war schon irgendwie westlicher, beziehungsweise weiterentwickelt, als Guatemala.
Mexico - Feier zur Ehrung der Jungfrau Guadalupe












In Mexico haben wir besonders die vielen Buchläden und Kinos ausgenutzt, die es in Nicaragua leider nicht gibt. Als ich mir in einer Apotheke ein Nasenspray kaufen wollte, denn durch das ungewohnt kalte Wetter hat es mich erwischt, eine lästige Erkältung plagte mich zwischenzeitlich; war ich von der Sortimentsauswahl durchaus überrascht. Zwischen kleinen bunten Pastillen, Pflastern und normaler „Apothekenware“, gab es außerdem Zigaretten, Schokolade, Eis und Cola zu kaufen.
Außerdem haben wir uns in Palenque die alten Mayaruinen angesehen und sind auf einem sehr beeindruckenden Canon lang gefahren, in dem so einige Krokodile wohnen.
Besonders hervor zu heben ist natürlich auch das mexikanische Essen, alleine deswegen würde sich meiner Meinung nach schon eine Reise nach Mexiko lohnen.
Palenque - Mayaruinen in Mexico
Das Wetter war ebenfalls eine Überraschung für mich. Tagsüber bin ich gerne in T-shirt herum gelaufen, aber nachts wurde es sehr kühl, teilweise nur fünf Grad, da haben wir uns ein bisschen wie in Deutschland gefühlt.

Vor der Reise wurde ich von vielen Leuten gewarnt, die sagten, dass Guatemala und Chiapas zum Reisen viel zu gefährlich seien.
Und diese Ansicht ist auch nicht unbegründet. Ich glaube, ich hätte mich alleine nicht auf diese Reise getraut, wenn ich nicht schon vorher ein bisschen von Mittelamerika gekannt hätte.
Es hat zum Beispiel auch seinen Grund, dass Weltwärts keine Freiwilligen nach Guatemala schickt und man sollte, wenn man dort ist, auch unbedingt einige Regeln beachten.
Uns ist nichts passiert, wir haben aber auch Situation erlebt, die durchaus nicht ungefährlich waren. Auffallend war auch, dass besonders in Guatemala die Sicherheitsvorkehrungen sehr hoch sind. Es ist normal, dass in jeder Straße Sicherheitsbeamte oder Polizei mit großen Gewähren stehen und aufpassen. Klar, die findet man auch in Nicaragua, aber in Guatemala waren sie echt überall. Wir sind häufig in Kontrollen gekommen, die Armee hat beispielsweise mehrmals unsere Gepäckstücke oder die Busse in denen wir reisten durchsucht. Dabei handelt es sich meistens um den illegalen Drogenschmuggel. In einer Stadt gab es ab neun Uhr abends sogar eine Ausgangssperre und in Guatemala City, ist es normal, dass an jeder Busstation ein Polizist steht und auch in jedem Bus mindestens einer mit fährt.
Semuc Champey - in dem blauen Wasser kann man schwimmen
All diese Dinge waren zu erst sehr ungewohnt, gehörten aber schnell mit zum Bild und ich habe mich in fast keiner Situation der Reise unsicher gefühlt.

Ein Ereignis, was mir sehr stark im Gedächtnis geblieben ist, auch wenn es schon fast nicht mehr zur eigentlichen Reise gehört, ist die Grenzüberfahrt nach Nicaragua.
Eigentlich könnte ich problemlos ein ganzes Kapitel über mittelamerikanische Grenzübergänge schreiben. Die Grenze nach Mexico bestand beispielsweise aus einer riesigen Marktstraße; von Mexico nach Guatemala sind wir mit einem kleinen Bötchen über die Grenze gefahren und haben unsere notwendigen Stempel in einer kleinen Holzhütte, mitten auf einer Kuhwiese bekommen.
Tikal - DIE Mayaruinen (Guatemala)
Als wir dann also mit dem Bus von Honduras aus, endlich auf die nicaraguanische Seite kamen, begrüßte Nicaragua uns mal wieder so etwas von typisch, dass ich mich schon direkt richtig „heimisch“ gefühlt habe.
Als einziger Grenzübergang (den ich in den drei Wochen in Mittelamerika passieren durfte) schallte furchtbar laute Musik, samt vibrierenden Basses, aus den rauschenden Lautsprechern. Dazwischen die schrillen Stimmen, der Frauen, Kinder und Männern, die den wartenden Passagieren hartnäckig Orangen, Eis oder Rosquillas (Maisplätzchen, sehr typisch für den Norden Nicaraguas) anboten.
Zutrauliche Nasenbären liefen zu Scharen in Tikal herum








Das Nica- Ambiente wurde gerade zu perfekt, als wir aufgefordert wurden, alle unsere Gepäckstücke aus dem Bus zu holen und in dem kleinen Migrationshäuschen, auf den Boden zu legen. Mehrere Kinder wollen meinen Rucksack die paar Meter für mich tragen (so verdienen sie sich ihr Geld), so dass ich regelrecht an dem Rucksack ziehen und zerren muss, bis sie schließlich aufgeben. In dem Häuschen stehen jetzt also alle Reisenden vor ihren geöffneten Koffern, Taschen und Tüten und warten. Mal wieder warten. Warum oder worauf wir eigentlich warten, diese Frage habe ich mir schon längst abgewöhnt. Man wartet einfach und dabei schnattert man vergnügt oder sieht sich die vielen FSLN- Poster und die alten Sandinobilder an, die neben mehreren Nicaraguakarten hängen. Nach einer gefühlten Viertelstunde erscheint ein sehr alter, sehr faltiger und zudem auch noch sehr kleiner Mann.
Auf dem Kopf trägt er eine Kappe, eine blau-weiße, auf der in verschnörkelter Schrift „Nicaragua“ steht. Er scheint also der „Beamte“ zu sein.
Und tatsächlich, schon nimmt er voller Elan seine ehrenhafte Aufgabe auf sich- nämlich unsere Gepäckstücke zu durchsuchen.
Die Durchsuchung sieht so aus, dass er einmal seine Hand in meinen Rucksack steckt, dabei natürlich gerade eine verdächtige Plastiktüte, vollgestopft mit noch verdächtigeren Mitbringseln erwischt; mir aber freundlich zunickt und dann auch schon zum nächsten weiter geht.
So macht er das bei jedem Wartenden und ich komme mir nach dieser ewigen Wartezeit schon ein wenig veräppelt vor.
Irgendwann darf dann endlich der Letzte seinen Koffer wieder zurück in den Bus räumen und während wir draußen dann mal wieder warten, dieses mal auf die Papiere. Ich kaue gerade an einer Rosquilla, als ich erschrocken feststelle, was das gerade neu begonnene Lied da eigentlich aus den Lautsprechern brüllt. Nach Volksmusik und Nicaschnulzen, jetzt dieses mir bis dahin unbekannte Lied, bei dem mir fast die Ohren abfallen.
Um nur den Refrain und damit den wichtigsten Part des Liedes zu zitieren:
„Bum, bum, bum, bum- Fucking Costa Rica! Bum, bum, bum, bum- El Rio San Juan es Nica!“ (Der Fluss San Juan ist nica). Ja, ungefähr so geht es dann auch noch das ganze Lied über weiter. Klare Ansage! Dazu muss man erklären, dass sich Nicas und Ticos (Costa Ricaner) schon aus der Geschichte heraus nicht leiden können und es viel Streit untereinander gab und gibt. Gerade wieder neu aufgekommen, ist der Streit um den Rio San Juan, ein Fluss der im Nicaraguasee entspringt, an einem Stück die Grenze zu Costa Rica darstellt und eigentlich zu Nicaragua gehört. Das sehen die Ticos jedoch ein wenig anders und so provozieren beide Seiten leider sehr undiplomatisch und sinnlos die derzeitige Situation. Die vielen Ticos, die in unserem Bus reisten schienen ebenfalls geschockt und ich fand diese Situation äußerst unangenhem.

Die Reise war ein tolles Erlebnis und ich hoffe, ich konnte euch wenigstens einen kleinen Einblick geben.

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